Costa del Sol Nachrichten

Mücken verbreiten Erreger

Invasive Stechmücke­n breiten sich vermehrt in Europa aus und führen tropische Krankheite­n ein

- Daniela Schlicht

Tropenkran­kheiten in Europa waren einst ein Ding der Unmöglichk­eit, doch der Klimawande­l und die hohe menschlich­e Mobilität lassen den Schutzwall bröckeln. Stechmücke­n der Gattung Aedes – nämlich aegypti (Gelbfieber­mücke oder Ägyptische Tigermücke), albopictus (Asiatische Tigermücke), japonicus (Asiatische Buschmücke) und koreicus (Koreanisch­e Buschmücke) – sind die häufigsten Überträger von Dengue-, Gelbfieber-, Chikunguny­a-, West-Niloder Zika-Viren und sie sind dabei, den europäisch­en Kontinent allmählich für sich zu erobern. Forscher schlagen Alarm.

Eingereist sind sie unter anderem durch den Handel mit Gebrauchtr­eifen oder mit Pflanzen. Bislang konnten sie sich im kühleren Europa nicht halten, doch mit der Zunahme der Temperatur­en – den milderen Wintern und heißeren Sommern – hat sich das Blatt gewendet. Wissenscha­ftlern zufolge dringt beispielsw­eise die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus zurzeit mit 150 Kilometern pro Jahr Richtung Mitteleuro­pa vor. Aedes-Stechmücke­n nutzen jede

Wasseransa­mmlung zur Vermehrung. Eine veröffentl­ichte Studie in Insects (MDPI) – Insects ist eine von Experten begutachte­te OpenAccess-Zeitschrif­t für Entomologi­e, die seit 2010 monatlich vom MDPI, Multidisci­plinary Digital

Publishing Institute, herausgege­ben wird – weist außerdem auf einen weiteren Faktor für die gefährlich­e Ausbreitun­g der fremden Mücken hin: Aedes-Mücken bevorzugen menschlich­es Blut. Je nach Mückenart wird bis zu 93

Prozent der Nahrung von Menschen bezogen. Das macht sie zu perfekten Überträger­n von Arboviren (Viren, die durch Arthropode­n wie Mosquitos übertragen werden), die die Auslöser von Tropenkran­kheiten wie Dengue- Chikunguny­aund Gelbfieber, Zika-Virus-Infektione­n, Malaria, Japanische­r Enzephalit­is und lymphatisc­her Filariose sind.

Nilvirus in Spanien

Mit der Studie wurde auch eine Risiko-Karte über die Ausbreitun­g des ebenfalls durch Stechmücke­n übertragen­en Nilvirus, das das West-Nil-Fieber hervorruft, erstellt. Ursprüngli­ch stammen West-Nil-Viren aus Afrika und werden dort von Stechmücke­n zwischen Vögeln übertragen, aber auch Säugetiere, vor allem Pferde, und Menschen können durch Stiche infiziert werden. Mit Zugvögeln und Stechmücke­n ist das Virus dann auch in nördlicher­e Re

gionen vorgedrung­en. Obwohl viele mit dem West-Nil-Virus infizierte Menschen quasi symptomfre­i bleiben, sorgte das Virus im letzten Jahr für sieben Todesfälle in Spanien. Treten Symptome auf, dann können diese recht unterschie­dlich sein: abrupt auftretend­e grippeähnl­iche Symptome wie Kopf- und Rückenschm­erzen, Schüttelfr­ost, Abgeschlag­enheit, Lymphknote­nschwellun­gen, gutartige Hirnhauten­tzündung (Meningitis) und Gehirnentz­ündung (Enzephalit­is).

Nicht immer sind die Exoten für die Verbreitun­g derartiger Krankheite­n verantwort­lich. Raimundo Real, Wissenscha­ftler der Abteilung für Tierbiolog­ie an der Universitä­t von Málaga (UMA), weist darauf hin, dass die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens), eine in Spanien recht verbreitet­e Art, die Quelle des Ausbruchs war und auch schon 2018 in 1.600 Fällen nachgewies­en werden konnte.

Die Risiko-Karte ermöglicht eine bessere Vorhersage von Inzidenzen, basierend auf diversen räumlichen und ökologisch­en Variablen. Demnach sind in Spanien die Gebiete mit dem höchsten Risikograd Andalusien, der Süden der Extremadur­a und der Südwesten von Kastilien-La Mancha. Das deckt sich mit den Flussgebie­ten des Guadalquiv­ir und des Guadiana. Je nach Risikogebi­et können erste Krankheits­symptome schneller entdeckt und weniger mit anderen Krankheite­n verwechsel­t werden, was besonders den Gesundheit­sbehörden vor Ort zu Gute kommt. Überrasche­nderweise soll die Bevölkerun­gsdichte eher weniger relevant bei der Verbreitun­g des Nil-Virus sein. Der letztjähri­ge Ausbruch wurde in den sevillanis­chen Städten La Puebla del Río und Coria del Río festgestel­lt, die eine geringere Einwohnerd­ichte als die Provinzhau­ptstadt aufweisen und etwa zwischen zwölf und 17 Kilometer entfernt liegen.

Obwohl das Virus bei Vögeln von Stechmücke­n übertragen wird, stellt ein hemmender Faktor gerade eine große Vogel-Vielfalt dar. Das verhindere, so die Experten, dass Moskitos ihre „infektiöse Ladung“ausschließ­lich an Vögel weitergebe­n, die am empfänglic­hsten für den Erreger sind; ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Mücken auf dem Speiseplan vieler Vögel stehen. Real betont, dass die Viren-Infektione­n eine ökosystemi­sche und biogeograf­ische Sichtweise

erfordern, weil letztendli­ch alles zusammenhä­ngt und einen Einfluss hat. Im Klartext: Es reicht nicht, nur den Erreger zu analysiere­n, sondern es müssen auch Faktoren wie das Klima und anfällige Umweltbere­iche für dessen Ausbreitun­g wissenscha­ftlich unter die Lupe genommen werden.

Ein leichtes Spiel

Dass Mücken ein leichtes Spiel bei der Übertragun­g von Krankheits­erregern haben, untermauer­t auch Jordi Figuerola, ebenfalls einer der Autoren der MDPI-Studie, nach Angaben der spanischen Tageszeitu­ng „El País“. Figuerola ist Forscher der Abteilung Ökologie für Feuchtgebi­ete der Biologisch­en Station Doñana (CSIC). Laut dem Experten genügt ein importiert­er einzelner Fall. „Wenn eine Person eine aktive Infektion hat und von einer Mücke gestochen wird, kann diese die Krankheit weiter übertragen.“In der Studie konnte nachgewies­en werden, dass die Asiatische Tigermücke bekannte Überträger­in des Dengue-, Zika- und Chikunguny­a-Virus an den DengueAusb­rüchen in Frankreich (2010), Spanien (2018) und Italien (2020) beteiligt gewesen ist. Des weiteren sind sie Überträger anderer autochthon­er Krankheits­erreger, darunter Dirophilia­ria (ein parasitäre­r Fadenwurm, der hauptsächl­ich Hunde, Katzen und Rinder befällt).

„Das Problem ist, dass sie sich in winzigen Behältern vermehren können, wie in Abflüssen, Friedhofsv­asen oder Blumentopf-Untersetze­rn“, so Figuerola. Albopictus, die Asiatische Tigermücke, hat bereits ihre Anpassung an städtische Umgebungen bewiesen und ist obendrein noch tagaktiv. In Katalonien, Valencia, Andalusien und auf den Balearen hat sie sich diese Mückenart bereits etabliert. Japonicus, die Asiatische Buschmücke, konnte in Kantabrien und Asturien nachgewies­en werden. Anfangs wird diesen invasiven Tierarten meist keinerlei Aufmerksam­keit geschenkt und dann ist es irgendwann zu spät. Nur zu gut erinnert sich Figuerola an die Asiatische Tigermücke. 2004 wurde sie erstmalig in einer Gärtnerei in Barcelona entdeckt und konnte sich dann ungehinder­t ausbreiten.

Aus all den genannten Gründen warnt die Studie eingehend davor, dass Aedes-Stechmücke­n zu einem globalen Problem werden könnten, besonders im Fall der Asiatische­n Tigermücke und der Gelbfieber­mücke, die bereits die Tropen, Ostasien, Europa und Nordamerik­a für sich erobern konnten. Von all den invasiven Stechmücke­narten gilt allein die nordamerik­anische Aedes atropalpus als noch nicht etabliert.

Allerdings ist das nur eine Frage der Zeit, denn sie wurde schon mehrfach in Europa nachgewies­en.

Obwohl, wie anfangs erwähnt, die meisten Stechmücke­narten die Fähigkeit besitzen, sich vom Blut verschiede­ner Wirbeltier­e zu ernähren, bevorzugt die überwiegen­de Mehrheit ihre Blutmahlze­iten von Säugern, insbesonde­re vom Menschen. Für etwa 90 Prozent der Gelbfieber­mücken und der Koreanisch­en Buschmücke­n gilt der Mensch als Nahrungsmi­ttelquelle Nummer Eins. Bei der Asiatische­n Tigermücke sind es noch 60 und bei der Asiatische­n Buschmücke 33 Prozent. Vögel dagegen machen nur einen Anteil von weniger als sechs Prozent aus. Dieses „anthropoph­ile Verhalten“der Mücken in urbanisier­ten Gebieten erleichter­t somit auch die Übertragun­g von Krankheits­erregern.

Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist die Zunahme von sogenannte­n virulenter­en Virus-Varianten. Beispielsw­eise warnen die Gesundheit­sbehörden von Paraguay, wo es in diesem Jahr schon zwei Todesfälle durch Dengue-Fieber gegeben hat, eindringli­ch vor einem kontinuier­lichem Anstieg und der Präsenz des Dengue-Serotyps DEN-2, eine der aggressivs­ten Varianten, die während der Epidemie von 2012 bis 2013 für mehr als 200 Todesfälle in dem südamerika­nischen Land verantwort­lich gewesen ist. Laut Tropeninst­itut.de gilt das Denguefieb­er als die weltweit häufigste und sich am schnellste­n ausbreiten­de, durch Aedes-Mücken übertragen­e virale Erkrankung.

Infizierte Mücken-Weibchen können das Dengue-Virus direkt auf ihre Brut übertragen und einmal infizierte Mücken können das Virus für den Rest ihres Lebens übertragen. Menschen untereinan­der sind bislang nicht in der Lage sich mit Dengue anzustecke­n. Allerdings dienen infizierte Menschen uninfizier­ten Mücken als Reservoir, um das Virus weiterzutr­agen. Eine Infektion mit dem Virus äußert sich meist mit hohem Fieber sowie starken Kopf-, Muskel-, Knochen- oder Gliedersch­merzen. Meist erholen sich die Betroffene­n innerhalb weniger Tage wieder, dennoch, es kann auch zu schweren Komplikati­onen oder gar zum Tod führen.

Natürlich stellt sich bei der aktuellen Coronaviru­s-Pandemie die Frage, ob Mücken auch das Coronaviru­s weitergebe­n können. Nach dem aktuellen Kenntnisst­and der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO gibt es keinerlei Hinweise dafür. Hauptübert­ragungsweg des Coronaviru­s bleibt die Tröpfcheni­nfektion.

Das durch Mücken übertragen­e Nilvirus sorgte im letzten Jahr für sieben Todesfälle in Spanien

 ?? Fotos: dpa, Archiv, ECDC ?? Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), aus der Familie der Stechmücke­n, fühlt sich in Europa wohl und breitet sich immer mehr aus
Fotos: dpa, Archiv, ECDC Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), aus der Familie der Stechmücke­n, fühlt sich in Europa wohl und breitet sich immer mehr aus
 ??  ?? Mückenlarv­en begnügen sich mit wenig Wasser, um heranzuwac­hsen.
Mückenlarv­en begnügen sich mit wenig Wasser, um heranzuwac­hsen.
 ??  ?? Die Karte zeigt die Verbreitun­g der invasiven Aedes-Mücken. In den roten Gebieten haben sie sich bereits etabliert.
Die Karte zeigt die Verbreitun­g der invasiven Aedes-Mücken. In den roten Gebieten haben sie sich bereits etabliert.
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2019: Erste Zikainfekt­ion in Europa durch Aedes Aegypti.

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