Malle jubelt, Spanier meckern
Reisewarnung aufgehoben – Fluggesellschaften wittern Ostergeschäft – Ryanair fliegt von acht deutschen Städten aus Alicante an
Palma/Alicante – fin/sk/dpa. Deutsche müssen bei der Rückkehr aus einigen spanischen Urlaubsgebieten wie Mallorca, Valencia und Murcia nicht mehr in Quarantäne gehen. Coronageplagte Unternehmer schöpfen auf den Balearen wieder Hoffnung. Aber nicht alle Spanier sind glücklich. Im Gegenteil.
Es hat nicht lange gedauert: Kaum hatte das Robert Koch Institut die Aktualisierung der Risikogebiete ohne Mallorca, Valencia, Murcia, La Rioja, Kastilien La Mancha und die Extremadura veröffentlicht, setzten sich die Deutschen an ihre Computer und buchten Urlaub – vor allem auf Malle, da es auf das spanische Festland derzeit kaum Flüge gibt. Das kann sich allerdings schnell ändern. Der irische Billigflieger Ryanair hebt ab 28. März von acht deutschen Städten ab, und zwar von Köln, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Nürnberg, Bremen, Baden-Baden und Düsseldorf. Auch Lufthansa und Eurowings werden mehr Flüge anbieten.
„Fantastische Nachricht“
Die Buchungen steigen nun sprunghaft an. Auf der coronageplagten Urlaubsinsel wecken die guten News nach monatelanger Tristesse Freude und Zuversicht. „Das ist eine fantastische Nachricht“, zitierte die „Mallorca Zeitung“den Fremdenführer Adán André Alomar. Ohne eine Rückkehr der Touristen würde „die Insel an Hunger sterben“, weiß der junge Mann.
Binnen Stunden nach der Aufhebung der Reisewarnung gab es bei Eurowings keine Plätze für die Mallorca-Flüge mehr. Gegenüber der ARD versicherte die Tochter der Lufthansa, man werde 300 zusätzliche Flüge für die Osterferien anbieten. Auch Tui reagierte sofort und legte die geplanten Flüge um eine Woche auf den 21. März vor.
Mallorca will über Ostern 4.000 Hotelplätze an der Playa de Palma bereithalten, große Ketten wie Riu, Iberostar, Meliá, Barceló oder TBH ziehen die Wiedereröffnung nach Aufhebung der Reisewarnung vor, warnen aber gleichzeitig, dass es sich um eine „langsame und schrittweise“Wiederaufnahme des Geschäfts handeln werde.
Egal wie langsam und schrittweise: Auf Mallorca herrscht Euphorie unter den Gastronomen und Hoteliers – die Deutschen kommen wieder. „Die beste Nachricht überhaupt“, jubelte auch Ballermann-Gastronom Juan Miguel Ferrer. Man sehe „das Licht am Ende des Tunnels“, meinte der Chef des Interessenverbandes
„Palma Beach“. Anders dagegen mutet die Stimmung in weiten Teilen des Festlands an. Flüge aus dem Ausland nach Spanien gibt es abgesehen von Mallorca und Alicante kaum. Traditionell wird das Ostergeschäft an der Mittelmeerküste auch zu einem großen Teil von inländischen Touristen belebt. Die können wegen der Abriegelung der Regionen die Osterferien aber nicht an den Küsten verbringen. „Es ist nicht der Moment für Fiestas“, betonte etwa Valencias Ministerpräsident Ximo Puig jüngst. Für Spanier nicht, für deutsche Urlauber aber scheinbar schon. Denn für die Spanier heißt das: Ein Deutscher darf zwei Wochen Osterurlaub auf Mallorca oder an der Costa Blanca machen, ein Madrilene aber nicht mit dem Auto in sein Ferienhaus nach Dénia oder Calp fahren. „Es ist unverständlich, dass sich ein Madrilene in Spanien nicht frei bewegen darf, und ein Franzose, ein Deutscher oder Belgier einreisen kann“, kritisierte etwa Madrids Landesgesundheitsminister Enrique Ruiz Escudero.
Bis 9. April dürfen die Einheimischen nach einem jüngsten Beschluss der Zentralregierung ihre Region nur in seltenen Ausnahmefällen verlassen. Verwandtenbesuch oder Urlaub außerhalb der eigenen Autonomen Gemeinschaft etwa sind untersagt. Deutsche und Bürger anderer Länder werden derweil nahezu hindernisfrei ins Land gelassen. Meist reicht ein PCR-Test.
Geschimpft wird überall. In Cafés, in den Medien, im Fernsehen, im Netz. Und auch in der Politik. Vor allem in der Region Madrid, wo man stolz, streitbar und selbstbewusst ist und sich nur ungern etwas vorschreiben lässt, ist der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez zum Buhmann geworden. Kunststudent Pedro räumt in einem Café im Madrider Szeneviertel Chueca ein: „Ich bin eigentlich mit ganzem Herzen Sozialist, aber diese Maßnahmen sind wirklich
Geschimpft wird überall. In Cafés, in den Medien, im Fernsehen, im Netz.
nicht zu rechtfertigen. Ach, Mensch, Pedro, du hast mich enttäuscht!“Ana Rosa, Starmoderatorin des Madrider TV-Senders „Telecinco“, machte ihrem Ärger vor laufenden Kameras hemmungslos Luft, als sie vom Beschluss erfuhr. „Was? Ausländer lässt man rein und ich darf nicht nach Extremadura?“
„Spanien wird zu Ostern ein Bunker für die Spanier und eine Oase für die Touristen aus dem Ausland sein“, titelte am Wochenende ebenso groß wie kritisch die Zeitung „ABC“. Das Blatt „Última Hora“sprach von „Willkür“, und sogar die „Mallorca Zeitung“stellte fest: „Osterferien auf Mallorca: für Deutsche Ja, für Spanier Nein“.
Dabei geht es nicht nur um Frust, Neid und Unverständnis. Nachdem die Zahl der Infektionsfälle zuletzt im Zuge von teils sehr strengen Einschränkungen rapide gesenkt wurde, haben viele Angst, dass die Touristen aus Ländern mit deutlich höheren Werten wie Deutschland eine neue CoronaWelle verursachen könnten. Zu gut sind noch die Bilder des Sommers 2020 in Erinnerung, als nach monatelangem Lockdown mit „Hausarrest“und Grenzschließungen wieder Tourismus erlaubt wurde und angetrunkene Urlauber aus Deutschland und Großbritannien am Ballermann ohne CoronaSchutz wilde Partys feierten.
Selbst auf den Balearen mischt sich Skepsis in die Freude. Dabei wissen die Menschen dort besser als andere Spanier, dass man ohne die Touristen nicht überleben kann. Der Anteil der Reisebranche am Regionaleinkommen beträgt hier 35 Prozent. Die Schlangen vor den Ausgaben der Essens-Tafeln werden seit den Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie immer länger. Viele sind hier trotzdem dagegen, Tourismus zuzulassen. Schriftstellerin Antònia Vicens spricht von überstürzten Lockerungen. „Für eine allenfalls mittelmäßige Saison“setze man „noch mehr Leben aufs Spiel“.