Es bleibt holprig
Janssen bremst Impfkampagne aus – Vierte Welle breitet sich aus
Spanien holpert weiter durch die Impfkampagne: Hoffnungsträger Janssen hat sich als Stolperstein erwiesen, nachdem Johnson & Johnson die Auslieferung des Impfstoffs für ganz Europa gestoppt hat. Grund sind wie schon bei
AstraZeneca schwere, aber sehr seltene Thrombosefälle. In der Luft hängen jetzt zwei Millionen Spanier, die eine erste Dosis AstraZeneca bekommen haben, für die zweite aber zu jung sind. Unterdessen schwappt die vierte Welle übers Land und macht sich in einigen Regionen schon deutlich bemerkbar. In Andalusien etwa liegen die Zahlen über dem spanischen Schnitt, und die Ausbreitung neuer Varianten bereitet Sorge.
Sevilla/Murcia/Valencia – fin. Kaum machte sich so etwas wie Optimismus trotz der anschwappenden vierten Welle breit, kam auch schon wieder ein Dämpfer. Noch am Montag verkündete eine hinter der Maske freudestrahlende Gesundheitsministerin Carolina Darias, dass am „ganz frühen Mittwochmorgen“die ersten 300.000 Impfdosen des Herstellers Johnson & Johnson eintreffen würden. Keine 24 Stunden später gab der USamerikanische Hersteller bekannt, dass er die Auslieferung seines Janssen-Impfstoffs in Europa stoppt.
Grund sind sechs Fälle schwerer Thrombosen nach JanssenImpfungen in den USA bei jungen Frauen. Eine der Betroffenen starb, eine weitere liegt in kritischem Zustand im Krankenhaus. Bei knapp sieben Millionen Janssen-Geimpften in Amerika ist der Anteil der schweren Komplikationen zwar verschwindend gering, dennoch empfahlen die Gesundheitsbehörden
in den USA, die Impfung vorübergehend zu stoppen. Johnson & Johnson reagierte sofort und stoppte die Auslieferung.
42 Millionen Janssen-Impfdosen hat Spanien insgesamt bestellt, 5,5 Millionen sollten bis Ende Juni ankommen. Endlich sollte das Impftempo anziehen, zumal bei Janssen nur eine Dosis nötig ist. Mit der verzögerten Auslieferung – bevor ein neues Datum bekannt gegeben wird, will Johnson & Johnson erst die laufenden Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen Impfung und Thrombosefällen abwarten – stolpert Spanien also zusammen mit der EU über den nächsten Stein der holprigen Impfkampagne.
Ohne zweite Dosis
Auch der Bericht der Europäischen Medikamentenagentur EMA über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Impfung mit AstraZeneca und schweren Thrombosefällen
lässt die Ankündigung Pedro Sánchez’, bis Ende August seien 70 Prozent der Spanier geimpft, allzu optimistisch wirken. AstraZeneca wird in Spanien jetzt nur noch Personen zwischen 60 und 69 Jahren verabreicht, und damit stellt sich die große Frage, was mit all den Angestellten aus systemrelevanten Sektoren passiert, die eine erste Dosis AstraZeneca bekommen haben, aber unter 60 sind.
Drei Möglichkeiten stehen im Raum: Die zweite Dosis fällt weg, die zweite Dosis erfolgt mit dem Impfstoff eines anderen Herstellers oder freiwillig mit AstraZeneca. Mit der Antwort auf die Frage kann sich das Gesundheitsministerium noch ein wenig Zeit lassen, zwischen beiden Spritzen sollen zwölf Wochen vergehen – und wer weiß, wie der aktuelle Stand in drei Monaten ist.
Immerhin, es gibt auch eine gute Nachricht: 90 Prozent der über 80-Jährigen haben in Spanien mindestens eine Impfdosis bekommen, in einigen Regionen wie Valencia liegt die Quote sogar bei 100 Prozent. Die Impfung der 70- bis 79Jährigen schreitet voran und Gesundheitsministerin Carolina Darias bemüht sich, mit Gebetsmühlen gegen die Impfverwirrung zu halten: „Die Impfstoffe sind sicher, effizient und sie retten Leben. Das beweisen Tatsachen wie die rückläufige Sterberate in den Seniorenresidenzen“, betont sie.
38 Millionen Impfdosen der vier Hersteller – Janssen einbezogen – sollen bis Ende Juni in Spanien eintreffen, im Vergleich zu zehn Millionen in den ersten drei Monaten des Jahres. Allein Pfizer will im April 1,2 Millionen Impfdosen pro Woche liefern.
Dennoch, Spanien blickt pessimistisch in die nähere Zukunft. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos halten 45 Prozent der Spanier es für unwahrscheinlich, dass ihr Leben innerhalb der nächsten zwölf Monate wieder so ähnlich aussehen könnte wie vor der Pandemie. Nur die Italiener sind bei den Befragten aus 30 Ländern noch pessimistischer: Hier glauben 47 Prozent nicht an eine baldige Normalität.
Vierte Welle holt Spanien ein
Bis es soweit ist, muss Spanien so oder so erst einmal die vierte Corona-Welle überwinden, die über das Land schwappt und erste Regionen schon eingeholt hat. Navarra ist mit einer 14-Tages-Inzidenz von 426 (Stand 13. April) aktuell Spitzenreiter, gefolgt von Madrid (341) und dem Baskenland (330). Doch auch Andalusien liegt mit einer Inzidenz von 212 über dem spanischen Durchschnitt von 196, Tendenz stark steigend – dabei fehlen noch die Daten vom Dienstag, die Sevilla wegen technischer Probleme nicht melden konnte. 69 Gemeinden sind aktuell wegen einer Inzidenz jenseits der 500 abge
riegelt. Sorgen bereitet auch die Ausbreitung von Virusvarianten, am Freitag bestätigten die Behörden den ersten nachgewiesenen Fall der brasilianischen Variante in Andalusien, mindestens 16 Betroffene haben sich mit der neuen Mutation B1258 infiziert.
Murcia trotzt mit 69 Fällen pro 100.000 Einwohnern binnen 14 Tagen dem landesweiten Durchschnitt, Sorgen bereitet den Behörden aber der Anstieg der Neuinfektionen bei jungen Leuten. Dennoch, seit Mittwoch dürfen die Murcianer eine Stunde länger draußen unterwegs sein, die Sperrstunde greift jetzt erst ab 23 Uhr. Auf Barterrassen dürfen wieder sechs Gäste an einem Tisch sitzen, und zuhause können sich bis zu vier Personen aus unterschiedlichen Haushalten treffen.
Musterschüler Valencia
Valencia hat sich unterdessen seinen Ruf als Corona-Musterschüler zurück erobert, eine 14-Tages-Inzidenz von 36 kann sonst niemand in Europa vorweisen, betonte Ministerpräsident Ximo Puig jüngst vor der Presse. Für seine Landesregierung ist das Erfolgskonzept klar: Strenge Regeln auch über Ostern gepaart mit dem Fortschreiten der Impfkampagne.
Die Lockerungen kommen häppchenweise, seit Montag darf man in Valencia erstmals seit Monaten wieder Besuch von einem anderen Hausstand zu Hause empfangen, und im öffentlichen Raum
– also auch an einem Restauranttisch – können bis zu sechs statt bislang vier Menschen zusammenkommen. Auch das Besuchsverbot in durchgeimpften Altersheimen ist gelockert. Es bleibt aber mindestens bis 25. April bei der nächtlichen Ausgangssperre von 22 bis 6 Uhr, beim Zapfenstreich für die Gastronomie um 18 Uhr und beim Ladenschluss für nicht systemrelevante Geschäfte um 20 Uhr.
Klar geregelt ist mittlerweile die Maskenpflicht nach dem Hin und Her um das neue Gesetz: Der Mund-Nasenschutz muss praktisch immer und überall getragen werden, bis auf folgende Ausnahmen: Einzelsport oder andere körperliche Betätigungen im Freien, Wassersport, Baden im Meer, Pool, Flüssen oder Seen, Sonnenbaden am Strand oder anderen Badestellen, sofern dabei eineinhalb Meter Sicherheitsabstand gewährleistet sind. Sowohl auf dem Weg zum abgesteckten Stück Sand als auch beim Spaziergang am Ufer bleibt es bei der Maske.
Und nach dem 9. Mai?
Unklar ist dagegen noch, wie es in Spanien nach dem 9. Mai weitergehen soll, wenn der Notstand ausläuft und wie von Ministerpräsident Pedro Sánchez angekündigt auch nicht verlängert wird. Nicht nur etlichen Zentralspaniern, sondern auch ausländischen Residenten brennt vor allem die Frage unterm Nagel, wann sie wieder zu ihren Ferienhäusern an die Mittelmeerküste fahren können, wann also die Abriegelung der Regionen aufgehoben wird.
Dabei kocht jede Landesregierung ihr eigenes Süppchen: Madrid erklärte sich bei immer volleren Intensivstationen und steigender Inzidenz am 10. April für geöffnet
– reiner Vorwahlkampf allerdings, weil die beiden Kastiliens als einzige direkte Nachbarn weiterhin dicht bleiben und somit dort niemand rein oder raus darf.
Die Kanaren haben die Abriegelung am 9. April aufgehoben, verlangen aber einen negativen Test für die Einreise. Außerdem sind die großen Inseln Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura weiterhin voneinander isoliert. Die Balearen sind seit Montag wieder für spanische Einreisende geöffnet
– sofern die Herkunftsregion die Abriegelung auch schon aufgehoben hat, also nur für Madrid und die Kanaren.
Denn alle anderen Autonomen Regionen bleiben abgeriegelt, und je höher die Corona-Zahlen, desto strenger die Auflagen. So sind in Katalonien etwa schon wieder die einzelnen Landkreise voneinander isoliert. Valencia will am 22. April über die weiteren Corona-Regeln beraten. Eine mögliche Aufhebung der Reisebeschränkung kommt frühestens am 4. Mai auf den Tisch.