Tausche Westsahara gegen Erdbeerpflücker
Sogar Frankreich hält die Füße still: Seltene Einigkeit der EU lässt Marokko ins Leere laufen
Madrid – mar. Der Auslöser der diplomatischen Krise zwischen Marokko und Spanien, der Führer der von Algerien unterstützten Frente Polisario für die Unabhängigkeit der Westsahara, hat Spanien verlassen. In der Nacht zum Mittwoch flog Brahim Gali mit einem algerischen Zivilflugzeug von Pamplona nach Algerien, nach 44 Tagen Behandlung im Hospital San Pedro de Logroño. Noch am Tag zuvor unterzog er sich einer Video-Anhörung durch ein spanisches Gericht, das keine Anhaltspunkte für eine Verhaftung oder ein Reiseverbot finden konnte – oder wollte.
Das Gericht stellte auch fest, dass Gali mit legalen Papieren eingereist sei, womit eine weitere Unterstellung Marokkos zurückgewiesen wurde, die auch PP-Oppositionsführer Pablo Casado
übernommen hatte, um die „Verantwortungslosigkeit“von Regierungschef Pedro Sánchez in der Affäre, die nur eine humanitäre Geste sein sollte, zu unterstreichen.
Marokkos Regierung hatte bereits zuvor erklärt, dass die Krise auch mit Galis Abreise nicht erledigt sein würde, die Botschafterin bleibt außer Landes.
Nach der lebensbedrohlichen Öffnung der Grenze zu Ceuta, die 9.000 Menschen für einen irregulären Grenzübertritt auf EU-Territorium nutzten, dienen Rabat nun 13.000 marokkanische Erdbeerpflücker, die man möglicherweise nicht in die Heimat zurückkehren lassen will, als neue Geiseln im Kampf gegen Spaniens Haltung hinsichtlich seiner ehemaligen Kolonie Westsahara. Auch bei der Rückführung von noch rund 1.000 in Ceuta verbliebenen Ankömmlingen, darunter hunderte Jugendliche, lassen sich die marokkanischen Behörden provokant viel Zeit.
Doch Marokko gehen allmählich Argumente und „Waffen“aus, im Ringen darum, Donald Trumps so dumm wie kalkuliert im Namen der USA ausgesprochene Anerkennung der Westsahara als Teil Marokkos auf dem internationalen Parkett als Standard durchzusetzen. Spanien bleibt bei seiner Haltung, dass nur die Selbstbestimmung im Rahmen und unter den Normen der Vereinten Nationen den Dauerkonflikt lösen könne. Marokko hatte dabei zudem die Einigkeit der EU unterschätzt, die beim „Angriff“auf ihre Außengrenze fast instinktiv die Reihen schloss. Sogar Frankreich, sonst stets ein polarisierender Player bei Fragen des Einflusses im Maghreb, hält sich im Interesse der gemeinsamen Sache zurück.