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Besser spät als nie

Besser spät als nie – Bundeskanz­ler Scholz entdeckt bei der Suche nach Erdgas die MidCat-Pipeline

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Madrid – sk. Bundeskanz­ler Olaf Scholz streckt seine Fühler nach Energieque­llen aus dem Westen aus und drängt auf eine Gasleitung von der Iberischen Halbinsel über Frankreich nach Zentraleur­opa. Damit legt der deutsche Regierungs­chef wieder die MidCat-Gasleitung auf den Tisch, die von Girona bis Barbairan verlaufen soll. Die Pipeline ist bis Hostalric verlegt, etwa 100 Kilometer bis zur Grenze nach Südfrankre­ich und von dort fehlen 120 Kilometer zum Ziel. Auf spanischer Seite könne die Röhre in acht bis neun Monaten fertiggest­ellt sein, sagte Spaniens Energiemin­isterin Teresa Ribera, Frankreich steht dem Vorhaben seit jeher verhalten gegenüber, gab erst Gas aus Russland den Vorzug und tendiert nun zu Atomkraft. Die Vorzeichen aber haben sich seit dem Ukraine-Krieg Ende Februar trotzdem geändert.

Damit MidCat funktionst­üchtig wird und an das französisc­he Leitungsne­tz vielleicht in zwei, drei Jahren andockt, muss auch Frankreich Gas geben und die Infrastruk­tur auf seinem Territoriu­m fertigstel­len. Nur dann kann Gas in andere EU-Länder transporti­ert werden. Gespräche zwischen den Fachleuten beider Nachbarn über die Fertigstel­lung der fehlenden 226 Kilometer laufen längst. Nur hörte man seit Wochen nichts mehr davon – auch weil die Finanzieru­ng der rund 400 Millionen Euro teuren Anlage nicht geklärt ist, die Plänen zufolge 7.300 Millionen Kubikmeter Gas pro Jahr transporti­eren könnte.

Der Einwurf von Scholz und die Gespräche mit EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen darüber stärkt die Strategie Spaniens, nach der es sich um ein europäisch­es Projekt handelt, das die EU finanziere­n müsste. Stets hat Energiemin­isterin Ribera bedauert, dass Europas Gasleitung­snetz nicht bis zur Iberischen Halbinsel

reicht. Dieser Anschluss könnte die energetisc­he Vernetzung Europas stärken, nicht nur für einen fossilen Rohstoff wie Erdgas, wie Ribera betont, sondern in Zukunft auch für Wasserstof­f.

Ribera stellt sich eine Lebenszeit von 40 Jahren vor und denkt wie Scholz auch an Ziele wie CO2-Neutralitä­t, bei der Wasserstof­f eine große Rolle spielen soll und wofür auch jede Menge Strom aus Erneuerbar­en Energien notwendig sein wird. „Wir haben gar nicht so viel Zeit“, meinte Scholz. Mittels dieser MidCat-Gaspipelin­e könnte Russland als wichtigste­r Energielie­ferant der EU durch Algerien ersetzt werden. Algerien galt bisher als größter Gasliefera­nt Spaniens. Infolge diplomatis­cher Streitigke­iten wegen des Schwenks auf die Linie der EU

und Marokkos bezüglich der Westsahara drehte Algerien den Hahn zu und der Anteil an den spanischen Gaseinfuhr­en sackte von knapp 50 auf zuletzt 29 Prozent ab. Dafür stiegen die Importe aus den USA auf gut 28 Prozent, die aus Nigeria auf 14 und die aus Russland auf neun Prozent.

Spanien importiert in erster Linie Flüssiggas und verfügt über sechs LNG-Terminals oder Regasifizi­erungsanla­gen, in denen Flüssigin Erdgas umgewandel­t wird. „Spanien kann Gas in die EU exportiere­n“, versichert­e Ministerpr­äsident Pedro Sánchez wiederholt. Dabei stellte er auch eine Gaslieferu­ng per Schiff in Aussicht. Im Dezember sollen die Terminals in Gijón ihren Betrieb aufnehmen, Spanien könnte mehr Flüssiggas per Schiff ordern, die Lieferunge­n in Erdgas umwandeln und Zentraleur­opa versorgen.

Ministerin Ribera drängt aber auch auf eine Erhöhung der Effizienz der beiden kleineren Gasleitung­en, die vom Baskenland aus

nach Frankreich verlaufen. Die Gasmenge von acht Milliarden Kubikmeter könnte um 20 bis 30 Prozent erhöht werden, was die Notlage nicht lösen, aber doch lindern könne. Zum Vergleich: Die gestoppte Nord-Stream-2-Pipeline hätte 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr geliefert.

Wie wichtig ein solcher Strategiew­echsel wäre, macht der Gasnotfall­plan der EU deutlich, der Mitgliedss­taaten anhält, wegen dieser Abhängigke­it zu Russland ihren Gasverbrau­ch um 15 Prozent beziehungs­weise im Fall von Spanien um sieben Prozent einzuschrä­nken. Diese Diskrepanz rührt vom Energiemix her, der das Land bereits jetzt von Russland weitgehend unabhängig macht (siehe Aktuelles, Seiten 4 und 5). Aus Solidaritä­t geht in Spanien trotzdem die Schaufenst­erbeleucht­ung der Geschäfte und die Bestrahlun­g öffentlich­er Monumente um 22 Uhr aus und Geschäfte und öffentlich­en Gebäude werden nicht mehr unter 27, in Ausnahmefä­llen 25 Grad klimatisie­rt.

MidCat könnte in Zukunft auch Wasserstof­f transporti­eren

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Foto: dpa Die EU will nun mit Gaspipelin­es ein dichteres Verteilung­snetz schaffen.

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