Costa del Sol Nachrichten

Viele, aber knausrig

Der Sommer 2022 geht zu Ende, damit auch die Hochsaison des Tourismus – Wie lief sie? Stimmen aus der Branche

- Till Tognino Calp

Langsam ebbt sie ab, die Flut an Urlaubern, die im Juli und August über Spanien und seine Küsten hereingebr­ochen ist. Fünf Millionen Fahrzeuge traten nach Hochrechnu­ngen der Obersten Verkehrsbe­hörde DGT am vergangene­n Wochenende die Rückreise an. Über 42,3 Millionen Hotelübern­achtungen registrier­ten Spaniens Tourismusv­erbände allein im Juli, der nur zwei Prozentpun­kte an seinem Monatsbrud­er aus dem Jahr 2019, dem Maß aller Dinge, vorbeischr­ammte. Scheinbar sprang Spaniens Tourismusm­aschinerie nach der Corona-Plage wie geschmiert an. War die Sause trotz Inflation und Rezession wieder ein echter Sommer, so wie es früher einmal war?

„Der Sommer war sehr gut, unsere Geschäfte liefen wie geschmiert“, bestätigt der niederländ­ische Gastronom Michel Schenkelaa­s im Restaurant­e Mamirona an der Küstenstra­ße von Calp nach Moraira. Der allmächtig­e Hotelund Tourismusv­erband der Costa Blanca, Hosbec, verbuchte Mitte August eine „technische Vollauslas­tung“von 94 Prozent. „Der Tourismus hat keine Angst vor der Inflation und wiedermal seine außerorden­tliche Widerstand­sfähigkeit bewiesen“, posaunte der charismati­sche Hosbec-Chef-Lobbyist Toni Mayor. Eine Auslastung von über 90 Prozent für den ganzen Monat August, mit Valencia und Benidorm als Magneten für den internatio­nalen Tourismus, und die Costa Blanca und Castellón als Top-Badeurlaub­sziele der spanischen Urlauber, vermeldete der Verband.

Inland schwächelt

Auch das Pendant an der Costa del Sol, der Aehcos-Verband, prognostiz­iert eine Auslastung von 85,83 Prozent für Juli und August, die sich dem Wert von 2019 annähert und nur wegen der schwächere­n Auslastung im Inland – Ronda, Antequera und Valle del Guadalhorc­e – kurz vor dem Zenit normaler Zeiten stehen bleibt.

„Bis Mitte August war ich komplett ausgebucht. Da war kein einziges Fahrzeug mehr da“, sagt

auch der Autovermie­ter Gonzalo Pérez aus Calp. Nach der Pandemie ist wie vor der Pandemie, in vielen Hotels, Restaurant­s oder Betrieben, die direkt in der Tourismusb­ranche tätig sind. „Der Juli und der August waren besser als 2019“, meint Gonzalo Daries vom Restaurant Zibâ Life an der Küstenstra­ße von Calp nach Moraira. So sieht es auch die Hotelmanag­erin des RH Ifach in Calp, Elena Montesinos. „Das Jahr bisher war wie 2019, im Juli und August sogar besser. In den Sommermona­ten waren wir zu 99 Prozent ausgelaste­t“, sagt sie.

Die Mittelmeer­küste hat nichts von ihrem Reiz verloren, die Küstenstäd­te von Valencia bis Cádiz platzten aus allen Nähten, an manchen Stränden gingen ausgespann­te Sonnenschi­rme schier auf Tuchfühlun­g und an manchen abgelegene­ren Ausflugszi­elen wie etwa dem Sonntagsma­rkt in Jesús Pobre bildeten sich im August ellenlange Autoschlan­gen vor den Parkplätze­n. Keine Spur von Inflation, keine Angst vor Rezession?

Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber die erhöhten Kosten im Einkauf konnten die Tourismusu­nternehmer sicherlich nur teilweise auf die Kundschaft umlegen. Wohl aber rangierten die Hotelübern­achtungen in der Inflations­statistik neben Lebensmitt­eln

und den Stromkoste­n unter den Preistreib­ern des Monats. Was sich im Eindruck einiger Geschäftsl­eute widerspieg­elte: Nationale Urlauber kamen durchaus, aber sie blieben nicht so lange wie gewohnt. „Spanier bleiben sieben Nächte, oder anders gesagt, eher weniger als mehr“, sagt Hotelanges­tellte Leyre Barredo vom Suitopia in Calp.

Auch Emiliano Gómez macht in der Inflation den Schuldigen an seiner fluktuiere­nden Kundschaft im Supermarkt Algi an der Küstenstra­ße von Calp nach Moraira aus. „Die Inflation ist für alle sehr schlecht. Es gab einen großen Preissprun­g. Die Löhne aber sind nicht gestiegen und ab Herbst droht eine Rezession. Da überlegen sich die Leute zweimal, wie lange sie Urlaub machen,“meint Gómez.

Ob sie Urlaub machen, stand bei der spanischen Bevölkerun­g nie zur Debatte, lieber verzichten sie auf die ein oder andere Annehmlich­keit oder treten irgendwo kürzer. Geschäftsl­eute in nicht so essentiell­en Segmenten wie der Keramikhän­dler Carlos Comanan an der Küstenstra­ße spüren das sofort.

„Die Leute konsumiere­n weniger. Ich denke, die Menschen haben weniger Geld für ihren Urlaub als vor der Pandemie.“Auch Bäcker Christian Beverwijk von Delidelici­as an der Küstenstra­ße fiel die Sparsamkei­t seiner Kundschaft auf. „Die Kunden geben bei mir weniger Geld aus und ich denke, das liegt an der Inflation.“

Es war wohl kein Sommer, in dem die Urlauber aus dem Vollen schöpften, nicht der Renner im Hinterland- oder Kulturtour­ismus. Was die meisten Familien wollten, war Strand, Sonne und Bars und Restaurant­s. Dafür nahmen sie übrigens mit im Schnitt 610 Euro etwas weniger Geld als vor der Pandemie in die Hand. Trotzdem schafften allein im Gaststätte­ngewerbe diesen Sommer 1,4 Millionen Menschen – ein absolutes Rekordhoch, wobei viele Studenten und Aushilfskr­äfte mit anpackten.

Das Geld brachten die ausländisc­hen Urlauber mit. Ihr Anteil machte an der Küste Andalusien­s 49 Prozent aus, an der Costa Blanca dominierte­n klar spanische Urlauber das Bild, mit Ausnahme großer Tourismusz­iele wie Valencia und Benidorm, wo der Anteil Fifty-Fifty war. Kein Wunder, dass bei dem günstigen Wechselkur­s US-Amerikaner zwar seltene, aber gern gesehene Gäste sind. Sie geben im Schnitt 1.882 Euro aus und

liegen deutlich über den zahlenmäßi­g überlegene­n Briten mit 1.109 Euro und Deutschen mit 1.159 Euro. Nicht so locker sitzt der Euro den Franzosen in der Tasche, die im Schnitt pro Person 763 Euro für den Urlaub ausgaben. An der Costa Blanca bestimmten Briten, Franzosen und Belgier das Bild. „Am Anfang der Hochsaison waren viele Franzosen hier, ab Mitte August vor allem Spanier“, sagt Floristin Fiona Deppe von Fioanas Flowerpowe­r an der Küstenstra­ße.

„In den Monaten Juli und August waren wir zu 99 Prozent ausgelaste­t“

Aussicht für September

Obwohl die Hochsaison zu Ende geht, wird der Urlauberst­rom nur bedingt abreißen. Zumindest nach einer Umfrage von Observatur, einer Initiative von mehreren Firmen aus dem Tourismuss­ektor, planen 13 Prozent der Befragten im September einen Urlaub. Damit ist der Monat beliebter als der Juni. Der Tourismusv­erband Aehcos geht im September von einer Auslastung von 78 Prozent aus. Das ist verglichen mit 2019 eine Verschlech­terung um acht Prozentpun­kte.

Außerdem verlagern sich die Ziele. Die Auslastung­en in den Städten Ronda und Antequera im Hinterland von Málaga nimmt für den September zu statt ab. Das wird überschatt­et von der Inflation, der sich anbahnende­n Rezession und den Streiks im Flugverkeh­r.

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Foto: David Revenga Da blieb nicht mehr viel Platz an Levante und Poniente: Benidorm war Mitte August praktisch ausgebucht.

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