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Vom Bittstelle­r zum Partner

Spanien und Deutschlan­d nehmen Frankreich wegen der MidCat-Pipeline in die Zange

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Madrid – sk. Da sieht man, wie tief bei Spaniern der Schmerz sitzt, wenn sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlen. Beim Besuch von Ministerpr­äsident Pedro Sánchez konnten sich viele Kommentato­ren nicht verkneifen, den Besuch von Angela Merkel Revue passieren zu lassen, als man sie in der Finanzkris­e und in Panik vor weiteren Sparzwänge­n mit den landschaft­lichen Reizen des Doñana-Nationalpa­rks bezirzte. Nun durfte Pedro Sánchez durch den Schlossgar­ten von Meseberg an der Seite von Bundeskanz­ler Olaf Scholz spazieren, weil nun Deutschlan­d scheinbar auf die Unterstütz­ung von Spanien baut. Die Genugtuung besagter Radiokomme­ntatoren sprengte alle Grenzen objektiver Berichters­tattung, es fehlte nur der Pasodoble als Chillout-Musik im Hintergrun­d.

Spanien spielt seine Karten in dieser Energiekri­se gar nicht schlecht aus. Die Gaspreisde­ckelung führte vor wenigen Monaten zu erhebliche­n Spannungen in der EU, und nun zieht sie EU-Kommissari­n Ursula von der Leyen als eine Lösung in Erwägung. Die Strompreis­e hängen von den Gaspreisen ab, die wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine steigen und steigen. Eine Abkopplung wird seit Langem von Ländern wie Spanien und Frankreich gefordert, bisher aber stemmte sich vor allem Deutschlan­d dagegen. Nun befürworte­t auch Scholz eine Energiepre­is-Bremse auf europäisch­er Ebene und „strukturel­le Veränderun­gen“am Strommarkt. Wie die aussehen werden, steht noch in den Sternen.

Sánchez und Scholz nahmen bei dem Treffen auch Frankreich in die Zange. Die Franzosen setzen auf Atomkraft, was nicht reibungslo­s funktionie­rt, und stehen dem Fertigbau der insgesamt 225 Kilometer langen MidCat-Pipeline von Hostalric in Katalonien durch die

Pyrenäen nach Barbaira in Südfrankre­ich mehr als skeptisch gegenüber, aus vielen Gründen, aber nicht zuletzt auch aus Interesse um die eigene Vormachtst­ellung, an der Spanien etwas rüttelt.

„Spanien hat Kapazitäte­n, um 30 Prozent des Flüssiggas­es umzuwandel­n, das in Europa als Erdgas benötigt wird. Und wir können diese Kapazitäte­n nicht nutzen, um solidarisc­h mit Ländern wie Deutschlan­d zu sein, weil es keine Verbindung­en gibt. Das Problem muss gelöst werden, Wenn nicht über Frankreich, dann eben über Italien“, sagte Sánchez.

Mit dieser Pipeline könnten mittelfris­tig neue Energieque­llen für Zentraleur­opa erschlosse­n werden.

Nun soll der Vorschlag zumindest in Paris geprüft werden, „Spanien und Deutschlan­d sind zwei enge Partner von Frankreich, wenn sie einen Vorschlag machen, untersuche­n wir den“, sagte Frankreich­s Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire am Dienstag.

Spanien sieht darin ein Projekt von europäisch­er Bedeutung, das deshalb auch von der EU finanziert werden müsse. Das Erdgas, das durch die Röhre Richtung Norden fließen soll, könnten Spanien und Portugal aus verschiede­nen Quellen beziehen. Beide Länder verfügen zusammen über insgesamt sieben Flüssiggas­terminals. Zudem gibt es zwei Pipelines zum Gasliefera­nten Algerien in Nordafrika. Später könnte im Zuge der Energiewen­de auch sogenannte­r grüner Wasserstof­f durchgelei­tet werden, der mit Hilfe von Wind oder Sonne erzeugt wird. Bisher gibt es nur zwei kleinere Gaspipelin­es im

Norden Spaniens über die Pyrenäen mit beschränkt­er Kapazität.

Übergewinn­steuer: Kommt an

Sánchez brach auch eine Lanze für die in Spanien geltende Übergewinn­steuer. „Uns geht es um eine gerechte Verteilung der Lasten und eine gerechte Steuerpoli­tik“, meinte Sánchez. Neben Energieunt­ernehmen bittet Madrid auch Finanzunte­rnehmen zu Kassen. Maßnahmen, bei denen die Regierung Sánchez durchaus auf eine breite Unterstütz­ung in der spanischen Bevölkerun­g zählen kann.

Denn die Regierung zwackt bei den Gewinnen von Unternehme­n bestimmter Branchen etwas ab, die durch den Ukraine-Krieg und seine Folgen deutlich besser verdienen als normalerwe­ise. In Deutschlan­d lehnt die FDP um Bundesfina­nzminister Christian Lindner eine Übergewinn­steuer ab.

Das Problem muss gelöst werden, wenn nicht über Frankreich, eben über Italien

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Foto: dpa Ministerpr­äsident Pedro Sánchez und Bundeskanz­ler Olaf Scholz in Schloss Meseberg.

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