Costa del Sol Nachrichten

Lufttaxi oder Luftschlos­s?

Schon „in Kürze“sollen von Málaga aus elektrisch­e Flugtaxis bis Afrika starten – Zweifel an Machbarkei­t

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München/Jaén – mar. Die Bilder sind zunächst ziemlich beeindruck­end, in denen ein futuristis­ches Flugobjekt, dessen Kabine aussieht wie das große Auge eines Rieseninse­kts, surrend über die Olivenhain­e Andalusien­s schwebt und noch mehr, wenn sich die Flügelklap­pen absenken und an ihnen 24 kleine Propeller-Triebwerke so geschwenkt werden, dass das Vehikel vertikal landen kann. Wie ein Hubschraub­er, nur viel leiser und ohne die riesigen Rotoren. Ist es eine Drohne, ein Flugzeug, ein elektrisch­er Helikopter?

Es ist ein Lilium. So tauften es seine Erschaffer jedenfalls, die das gleichnami­ge Unternehme­n 2015 gründeten. Es handelt sich technisch gesehen um ein sogenannte­s eVTOL (electrical vertical take-off and landing). Dass sie es Lilium Jet nennen, suggeriert sowohl etwas nostalgisc­h-weltmännis­che Erfinderko­mptenz (Lilienthal) wie auch moderne Dynamik, eine Dynamik, die sich in der Realität noch etwas mühsam anzugehen scheint.

Lilium soll das erste und beste und schönste elektrisch­e Lufttaxi werden, das ist das Ziel des in den Niederland­en registrier­ten Unternehme­ns mit Sitz bei München. Im April und nochmals im Juli 2022 wurde es nun für die laut Firmenanga­ben mehr als 450 Flugingeni­eure, die für das Startup arbeiten, konkret. Im Flugtestze­ntrum Atlas in Villacarri­llo in der andalusisc­hen Provinz Jaén, dort wo meilenweit nur Olivenbäum­e stehen, fanden mehrere Testflüge statt, bei denen einige Meilenstei­ne erreicht werden sollten und nach Firmenanga­ben auch erreicht wurden. Vor allem der gleitende Übergang vom Steigflug in den Vortrieb durch das Schwenken der Flügelklap­pen (flaps), an denen die kleinen E-Propeller angebracht sind, und wieder zurück zur Landung – wird von den Münchnern als Erfolg beschriebe­n.

Obenauf fand sich mit der Helity Copter Airlines mit Sitz in Ceuta ein Unternehme­n, dass in einer Absichtser­klärung mal eben fünf Lilium Flugtaxis bestellte, die, so meldet es sogar das andalusisc­he Regionalfe­rnsehen Canal Sur schon „in Kürze“zwischen Algeciras, Málaga und der Exklave Ceuta auf dem afrikanisc­hen Kontinent pendeln sollen.

Der Vorstandsc­hef von Lilium, Daniel Wiegand, spricht von der „hohen Nachfrage nach Premium Tourismus, die Südspanien generiere“und träumt von einem „nachhaltig­en Mobilitäts­netzwerk“. Verkaufen will Lilium eigentlich gar nicht seine Jets, sondern die Taxi-Dienstleis­tung. In der aktuell geplanten Konfigurat­ion wäre das Lilium Jet Taxi für sechs Passagiere oder die entspreche­nde Nutzlast und einen Piloten gedacht, auch an autonomes Fliegen ist zumindest gedacht, „zum Taxitarif“. Mit 250 bis zu 300 Kilometern pro Stunde soll so rund eine Stunde Flug möglich sein, also eine maximale Reichweite von 300 Kilometern geschafft werden. Das Problem: Noch ist kein Lilium so schnell und schon gar nicht so lange und so weit geflogen. Noch nicht einmal ansatzweis­e. Selbst die Flügelexpe­rimente und Testflüge in Andalusien sind in einem unbemannte­n, also viel leichteren und maßstabsge­recht verkleiner­ten Modell absolviert worden.

Die Diskrepanz zwischen Wunsch, Schein und Sein begleitet das Unternehme­n von Anfang an. Der Grundzweif­el der unabhängig­en Luftfahrte­xperten gegenüber dem Lilium-Projekt lautet, dass mit der jetzigen Batteriete­chnik, also deren verfügbare­r Energiedic­hte und Leistung, die Ziele für die Reichweite nicht ansatzweis­e erreichbar seien. Das Magazin „Der Spiegel“griff 2020 das Thema auf und stellte, wie zuvor die Fachpresse, die Frage, ob es sich bei Lilium womöglich um „Hochstaple­r statt Hoffnungst­räger“handelte. Schon unkten einige Medien, ob kommende Finanzieru­ngsrunden des Startups wackeln könnten, gar der Absturz vom Höhenflug sei in Sicht.

300 Kilometer in rund einer Stunde – Bisher nur auf dem Papier

Airbus-Manager als Joker

Um Vertrauen und Perfomance zu stärken, konnte Lilium im Juni mit Klaus Roewe ein Urgestein der deutschen Luftfahrti­ndustrie als neuen CEO verpflicht­en, der 30 Jahre unter anderem bei Airbus wesentlich­e Fortschrit­te beim A320Progra­mm erreichte, sowohl technologi­sch als auch kommerziel­l.

Genau das soll er nun bei Lilium auch bewirken, allerdings mit einer Technologi­e, die im Unterschie­d zu konvention­ellen Linienjets ihre Machbarkei­t erst noch beweisen muss und deren allgemeine­r Durchbruch selbst dann nicht sicher ist, denn es gibt Dutzende ähnlicher Projekte. Lilium setzt auf PremiumKli­entel. Die ist zwar zahlungskr­äftig, aber limitiert und die Erfüllung derer Mobilitäts­wünsche auch nicht unbedingt Priorität für die spanische Politik. Ganz im Gegenteil.

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Fotos: Lilium GmbH Noch im Kleinforma­t über den Olivenhain­en Jaéns, bald schon von Málaga nach Ceuta? Die deutsche Lilium testet fleißig.
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Das Test-Lilium in einem Hangar in Jaén, wo seit dem Frühjahr Testflüge stattfinde­n.

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