Chaos besiegt Tränen
Wenn Kinder ausfliegen, ist das nicht leicht. Mein Mann seufzt schon seit Wochen. „Ich glaube nicht, dass ich dafür schon bereit bin.“Und meine Tochter schaute nostalgisch Barbie-Filme an. Wir rechneten mit einem tränenreichen Abschied. Doch nein, statt einer Taschentuch-Flut gab es – wohltuendes – Chaos.
Meine Freundin Chiqui hatte sich angeboten, die angehende Studentin mit in die Hauptstadt zu nehmen. Die Madriderin hatte den August in ihrer Ferienwohnung an unserem Strand verbracht. Um 18 Uhr ginge es los, hieß es. Doch als wir ankamen, stand die ganze Terrasse noch voller Koffer, Kisten und Tüten. Vom Paddle-Netz über vier große Zimmerpflanzen bis hin zum Medikamenten-Köfferchen der Oma war alles sauber aufgestapelt. Wie bei vielen spanischen Familien waren Kinder und Senioren „spontan“zu Besuch gekommen und mussten jetzt zurücktransportiert werden. Neun Leute und ihre Habseligkeiten sollten in zwei Autos passen. Das taten sie natürlich nicht. Mein Mann freute sich schon: „Die Kleine bleibt da.“
Doch stattdessen fuhr die Kleine mit und wir haben nun vier Pflanzen mehr zu gießen und essen seit Tagen an drei Kilo Reisfleisch, die der Familie nach der Ankunft als Abendessen dienen sollten. In unserer Küche modern nun mehrere Tüten Kekse und anderes viel zu süßes
Zeug vor sich hin. Doch Tränen gab es nicht, denn nachdem die ganze
Familie beim Einladen in lautstarken Streit geraten war, kamen wir schmunzelnd zu dem Schluss: „Vielleicht tut uns ja ein bisschen Zweisamkeit ganz gut.“