Der Niedergang
Spaniens Parteien rüsten sich für den ewigen Wahlkampf – Liberale steuern auf Untergang zu
Madrid – sk. Den Liberalen droht der Zusammenbruch. 400 Mitglieder von Ciudadanos (C’s) haben in einem Manifest den Rücktritt der Parteiführung samt ihrer Vorsitzenden Inés Arrimadas und die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags nach den katastrophalen Ergebnissen bei den jüngsten Landtagswahlen gefordert. Seit Oktober 2021 haben 42 Landtagsabgeordnete die Partei verlassen. Die konservative Volkspartei saugt den Juniorpartner regelrecht auf, der mit einem sogenannten G-8-Team einen Erneuerungsprozess einleiten will, der erst im Januar abgeschlossen sein wird
zu spät, um im Superwahljahr 2023 eine Rolle zu spielen.
Kleinere politische Formationen wie C’s, die rechtspopulistische Vox oder die Linkspartei Unidas Podemos konnten vor sieben Jahren die traditionelle Zwei-Parteien-Dominanz von Sozialisten (PSOE) und Volkspartei aufbrechen, stehen aber vor der Herausforderung, territoriale Strukturen aufzubauen. Bei den jüngsten Landtagswahlen verlor C’s in Kastilien-León zwölf Mandate und stellt dort nur noch einen Abgeordneten, in Andalusien blieb von den 21 keiner mehr übrig. In Kantabrien gibt es auch keine Liberalen mehr im Landtag. Ein Einbruch sondergleichen.
Nun kommen acht weitere Landtagsabgeordnete zu den verlorenen 42 hinzu, die sich der führungskritischen Plattform SomosCs angeschlossen haben, damit verliert zwar nicht C’s, wohl aber die Parteiführung weiter an Gewicht in den Landesparlamenten vor allem in Asturien, aber auch in Aragón und in der Extremadura. Und täglich schließen sich mehr der rund 10.000 Mitglieder starken Partei dieser Rebellen-Plattform an, darunter die stellvertretende Bürgermeisterin von Alicante, Mari Carmen Sánchez, oder ihre Kollegin in Zaragoza, Sara Fernández. Auf die Partei rollt ein Erdrutsch zu, und das zu einer Zeit, in der alle anderen sich für das Wahljahr 2023 aufstellen.
So hat die Volkspartei in Madrid bereits das politische Jahr eingeläutet. Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso griff den Regierungsstil von Pedro Sánchez als autoritär an, warf ihm vor, die „Dunkelheit“über Madrid zu bringen und mit seinen Auflagen eine Art von Zensur in der Energiepolitik zu betreiben, da er sie nicht mit den Betroffenen seiner Restriktionen absprechen würde.
Die Konservativen konnten also Breitseiten gegen die zahlreichen Flanken abfeuern, die die Regierung ihr öffnet oder öffnen muss, wegen der Inflation und den ergriffenen Energiesparmaßnahmen, der Verlegung von inhaftierten ETA-Terroristen in heimatnahe Haftanstalten oder der Arbeitslosigkeit. Nur C’s schießt derzeit in die Luft, wo doch gerade jetzt eine liberale Partei austeilen könnte, eine, die sich gegen Subventionen oder auf die Seite der Unternehmer
stellt, die angeblich von der Linksregierung so gegängelt werden.
Derweil geben sich die Sozialisten als volksnah. So empfing Ministerpräsident Pedro Sánchez in der Moncloa einige der Bürger, die ihm in den vergangenen vier Jahren ihre Sorgen, Nöte und Kritik in Briefen übermittelt haben. Bei den 50 Teilnehmern der Gesprächsrunde handelte es sich angeblich um eine Auswahl von 250.000 Briefschreibern von der Straße. „Ich glaube, mit diesem Start in das politische Jahr zeigen wir am besten, wie wir sind“, meinte Präsidialamtsminister Félix Bolaños.
Nun ja, Ministerpräsident Pedro Sánchez eröffnete auch schon mal das politische Jahr mit einem Empfang der Vorstandsvorsitzenden der Konzerne, die im Ibex-35 verzeichnet sind. Allerdings steht es momentan mit den Beziehungen zu den Bossen nicht zum Besten, vor allem mit denen aus den Sektoren Energie und Finanzen.
Derweil treibt die Regierung ihre Sozialpolitik weiter voran, mit den Bemühungen um eine Anhebung des Mindestgehalts bei den Verhandlungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften oder dem Arbeitslosengeld für Haushaltshilfen. Fast all die jüngsten Fortschritte in der Sozialpolitik verbucht allerdings Unidas Podemos. Fast scheint es so, also ob die Linken das Erbe von Ex-Ministerpräsident Zapatero fortführen, während Pedro Sánchez in einer Art 15-M- Revival den Kontakt zur Straße sucht.
Von der rechten Partei Vox hört man relativ wenig. Allerdings
musste die Partei von Santiago Abascal zuletzt Einbußen bei den Umfragen hinnehmen. Die Krise spitzt den Wahlkampf auf ein Duell zwischen PP und PSOE zu. Möglicherweise ist der Moment für einen Schlag von Rechtsaußen noch nicht gekommen. Ganz schlecht aber steht Ciudadanos da.
Der Aufstieg und Fall von Ciudadanos hängt eng mit ihrem ersten Präsidenten Albert Rivera zusammen, der die Partei als eine Alternative der politischen Mitte zu den separatistischen Kräften in Katalonien etablierte. C’s avancierte 2015 zur zweitstärksten Partei hinter Junts pel Sí. Bei der Parlamentswahl erreichte Ciudadanos fast 14 Prozent und profilierte sich als ein Auffangbecken unzufriedener PP-Wähler. Der Versuch allerdings, die Volkspartei rechts zu überholen, scheiterte ebenso wie eine Regierungsbildung mit den Sozialisten.
Von nun an schlug Ciudadanos sich auf die Seite der PP und stieß nicht nur den linksliberalen Flügel vor den Kopf, sondern verlor auch das Profil einer liberalen Partei, die einen eigenen Weg zwischen festgefahrenen Ideologien einschlägt. Gegen die Wand fuhr Albert Rivera den Karren, als C’s bei der ersten Wahl nach dem Misstrauensantrag eine Regierungsbildung der PSOE mit Podemos und der Unterstützung regionaler Parteien verhinderte und bei der darauffolgenden Neuwahl im November bitter abgestraft wurde. Das war das politische Ende des Albert Rivera, der im März 2020 von Inés Arrimadas abgelöst wurde. Dieser Wechsel löste aber das Problem des Profilverlusts nicht.
Kritik der PP: Pedro Sánchez bringt die Dunkelheit über Madrid