Der Mittelklasse zum Schutz
Mehrwertsteuer-Senkung auf Gas ist nicht unumstritten – Belastung für den Staat steigt
Madrid – tl. Mit einer Senkung der Mehrwertsteuer (IVA) auf Gas von 21 auf fünf Prozent ab Oktober will die Regierung die Verbraucher vor den aktuell hohen Energiekosten weiter entlasten. Vorerst soll die Senkung bis Jahresende wirksam bleiben. Eine Verlängerung gilt aber als wahrscheinlich. Unumstritten ist auch diese IVA-Senkung nicht. So stellt sich die Frage nach der sozialen Gleichgewichtigkeit. Und wie lange die Staatskasse immer neue Belastungen noch aushalten wird. Auch diese Maßnahme muss ja mit Steuergeldern bestritten werden.
Von der IVA-Senkung auf Gas profitieren alle – unabhängig vom Einkommen – wie bei der Mehrwertsteuersenkung auf Strom oder beim 20-Cent-Tankrabatt. Zudem ist die IVA eine degressive Steuer. Das heißt, Bürger mit einem höheren Einkommen müssen einen geringeren prozentualen Anteil ihres Einkommens abführen. Eine gezielte Entlastung ärmerer Schichten
ist eine IVA-Senkung grundsätzlich also nicht. Sie macht ja Gas nicht plötzlich so billig. Einkommensschwächere Haushalte müssen sich trotzdem einschränken. Reichere dagegen nicht.
Nach ersten Schätzungen der Verbraucherschutzorganisation OCU bringt die IVA-Senkung für Gaskunden, die einen Tarif auf dem freien Markt besitzen, ein Ersparnis von maximal 19 Euro im Monat. Für Kunden mit dem staatlich regulierten Tarif fällt die Ersparnis geringer aus. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem monatlichen Verbrauch von 400 Kilowattstunden macht sie demnach weniger als fünf Euro aus.
Keine großen Summen also. So muss die Entscheidung der Regierung als eine politisch motivierte gesehen werden. Damit hat Ministerpräsident Pedro Sánchez eine Forderung der oppositionellen Volkspartei (PP) aufgriffen. Offenbar, um dem neuen Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo vor dem im Senat geplanten Schlagabtausch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch betont Sánchez gerne, dass es ihm „um den Schutz der arbeitenden Mittelklasse und vulnerablen Gruppen geht“. Er will mit seiner Politik das gesellschaftliche Zentrum besetzt halten.
Eine neue Belastung für die Staatskasse bedeutet die IVA-Senkung auf Gas allemal. Das Finanzministerium rechnet mit 190 bis 200 Millionen Euro bis Jahresende. Mit den bereits beschlossenen Maßnahmen wie der IVA-Senkung auf Strom, dem Wegfall zweier Strom-Sondersteuern und dem 20-Cent-Tankrabatt summiert sich die Belastung auf über 13 Milliarden Euro im Jahr.
Mit der Übergewinnsteuer auf Energiekonzerne und die Sondersteuer
auf Banken, die 2023 kommt, aber rückwirkend auch für 2022 gilt, will der Staat in beiden Jahren sieben Milliarden Euro einnehmen. Auch nimmt die Agencia Tributaria deutlich mehr an Steuern ein als im vergangenen Jahr. Im ersten Halbjahr wurden 107 Milliarden Euro erreicht.
Staatsverschuldung steigt im Juni auf Rekord von 1,47 Billionen Euro
Steuereinnahmen steigen
Hauptsächlich bei der Einkommenssteuer (IRPF) und der Mehrwertsteuer (IVA) lagen die Steuerzugewinne. So profitiert der Staat von den hohen Preisen und der Inflation. Dennoch ist die Staatsverschuldung im Juni auf die Rekordsumme von 1,47 Billionen Euro gestiegen.
Die IVA-Senkung auf Gas wird auch aus Umweltsicht kritisch gesehen. Die Subventionierung einer fossilen Energie widerspricht den Klimazielen in der EU und den eigenen Zielen des ökologischen Übergangs. Kritikern vermissen Initiativen zum Energiesparen im privaten und industriellen Bereich.