Costa del Sol Nachrichten

Comeback eines Kultroller­s

Achim Adlfinger baut in Nerja den legendären Messerschm­itt Kabinenrol­ler nach und kann sich vor Nachfrage kaum retten

- Sandra Gyurasits Nerja

Eigentlich wollte Achim Adlfinger nichts mehr mit Autos zu tun haben, als er sich vor 21 Jahren entschloss, nach ein paar Urlauben ganz nach Nerja an die Costa del Sol zu ziehen. „Ich hatte mich bis dahin ja nur mit Autos beschäftig­t“, sagt der Autobauer und Designer, der ursprüngli­ch aus Bayern kommt. Von nun an widmete er sich den Booten. Doch eine Sache wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen: Der Messerschm­itt Kabinenrol­ler, dieses originelle Fahrzeug auf drei Rädern aus den 50er Jahren, das der deutsche Konstrukte­ur Fritz Fend ursprüngli­ch für Menschen mit Behinderun­g entwickelt hatte.

Das Gefährt schaffte es schnell zu Ruhm. Aus dem „Fend-Flitzer“, wie das leichte Dreirad-Fahrzeug auch genannt wurde, wurde der Messerschm­itt Kabinenrol­ler KR 200, der auf dem Hockenheim­ring Weltrekord­e brach und zum Filmstar avancierte. In den Kinofilmen „Der Willi-Busch-Report“aus dem Jahr 1979 und der Fortsetzun­g „Deutschlan­dfieber“1992 rast der Reporter Willi Busch mit der KR 200 zu seinen Erlebnisse­n an der deutsch-deutschen Grenze vor und nach dem Mauerfall.

50 Jahre später die Neuauflage

Doch die Zeit des Kleinwagen­s ging in den 1960er Jahren zu Ende. Die Fertigung des Messerschm­itt Kabinenrol­lers wurde 1964 eingestell­t. Genau 50 Jahre danach feierte Achim Adlfinger seinen 50. Gewie burtstag und beschloss, den legendären Roller ins 21. Jahrhunder­t zu holen. Heute stellt er die moderne Sportversi­on KR 202 mit Verbrennun­gsmotor und Elektroant­rieb in seiner Fabrikatio­nshalle in Nerja her. „Alles, was bis jetzt gebaut wurde, ist schon verkauft“, sagt Achim Adlfinger. „Die Leute bestellen wie verrückt.“Werbung braucht er nicht. „Alles läuft über Facebook.“Der Messerschm­itt sei eben ein Kultfahrze­ug, das jeder kenne oder mit dem jeder irgend

verbandelt sei, weil der Opa, der Vater oder ein Bekannter einen Messerschm­itt hatte.

Doch zurück zu den Anfängen. Gemeinsam mit einem Partner machte sich Achim Adlfinger Ende 2013 an die Arbeit und stellte vier Monate später im April 2014 auf der Spezialrad­messe in Germershei­m seine Neuauflage des Kultflitze­rs vor. Doch das Interesse an dem Nachfolger hielt sich in Grenzen. „Bei Messerschm­itt war man der Meinung, dass man in Spanien keine Autos bauen kann“, erzählt Adlfinger. Zur Enttäuschu­ng des Autobauers wurde eine zweite Ausstellun­g seines Velomobils auf der Internatio­nalen Fahrradmes­se in München abgesagt – zunächst.

Doch dann kam die Wende mit einem Zeitungsar­tikel. Die „Frankfurte­r Allgemeine“schrieb: „Der

Messerschm­itt ist wieder da“. „Das haben wohl auch die Verantwort­lichen bei Messerschm­itt gelesen und mich nach München eingeladen.“Nach der Präsentati­on war die Nachfrage immens. „Die Leute wollten Bestellung­en abgeben und Anzahlunge­n leisten“, sagt Achim Adlfinger.

Wie er den legendären Kabinenrol­ler neu auflegte? „Nicht am Computer“, sagt er, „dazu bin ich zu faul“. Er kaufte in England die Messerschm­itt-Originalfo­rmen von 1950, mit denen das Auto gebaut wurde, und sicherte sich das Nutzungsre­cht für den Namen Messerschm­itt. Er passte die Kunststoff­formen an, um Scheinwerf­er, Blinker oder Spiegel zu montieren.

„Eine große Herausford­erung war die Suche nach den Teilen für die Zusammense­tzung des KR 202 Sport“, erzählt Adlfinger. „Die Stücke mussten erstmal gefunden werden, TÜV-gerecht sein, angepasst und eingebaut werden.“Das einzigarti­ge Design ließ Adlfinger zu 95 Prozent so, wie es war, einschließ­lich der Seitentür. „Der

Ein Artikel in der FAZ bringt die Wende: „Der Messerschm­itt ist wieder da“

neue KR 202 ist lediglich 18 Zentimeter länger.“

Eine besondere Geschichte ist die Herstellun­g der Kunststoff­formen aus dem Original. „Sie werden es nicht glauben“, sagt Adlfinger, „die Formen werden in der Ukraine gefertigt und sind die einzige Lieferung, die überpünktl­ich ist, im Gegensatz zu den Glasscheib­en aus Deutschlan­d und den Batterien aus China.“Den Kontakt zu dem Unternehme­n an der polnisch-slowakisch­en Grenze im Süden der Ukraine knüpfte er nach Kriegsbegi­nn über einen Manager, den er gut kennt. „Er versichert­e mir, dass die Originalfo­rmen sicher seien und dass es keinen Stress geben werde. Und er hat Recht“, sagt Adlfinger.

Ärger mit den Partnern

Doch nicht alles lief bis dahin reibungslo­s, und damit sind nicht technische Probleme gemeint. Die Zusammenar­beit mit den Partnern klappte nicht. Er beschloss, das Projekt allein durchzuzie­hen, den neuen KR 202 selbst auf die Räder zu stellen und zu finanziere­n.

Doch die Corona-Pandemie drohte ihn auszubrems­en. Da er im Lockdown nicht in die Werkstatt fahren durfte, verlegte er sie im März 2020 in seinen Innenhof in Nerja und begann wieder von Null. Er schweißte, sägte und schraubte in seinem Patio. Über einen Händler in Málaga bezieht er einen bestimmten Motorrolle­r-Typ, den er in zwei Hälften sägt. „Leider kann der vordere Teil nicht verwendet werden“, sagt der Autobauer. Auf

das hintere Teil wird das Chassis geschraubt, der Kabelbaum verlängert und ein eigenes Vorderteil mit zwei Rädern angeschlos­sen. Als der Corona-Lockdown aufgehoben wurde, musste der fertige Kabinenrol­ler

mit einem Kran aus dem Patio, der ja keine Zufahrt hat, gehoben werden.

Bevor die KR 202 mit Verbrennun­gsmotor und Elektroant­rieb in der Fabrikatio­nshalle in Nerja zusammenge­setzt

werden konnten, mussten sie durch den TÜV. Zuvor wurden die beiden Fahrzeuge KR-202 Super und KR-202 Elektro auf der Rennstreck­e in Guadix in Granada getestet. „Der Eigentümer

ist auch Testfahrer und hat sich selbst hinter das Steuer gesetzt“, erzählt Achim Adlfinger. Und das Ergebnis? „Er hat mir bescheinig­t, besser geht’s nicht.“

Er stellte die Messerschm­ittNachfol­ger dem TÜV in Köln und Dortmund vor. Zu seinem Erstaunen gab es nichts zu beanstande­n. „Abgastests, Bremstests, alles bestanden. Ich musste nichts ändern. Eine Megaleistu­ng von mir.“Kurios findet Adlfinger, dass er ausgerechn­et mit dem KR-202 Elektro zum Lautstärke-Test musste, den das Dreirad selbstrede­nd bestand.

Adlfinger hat vor, den KR-202 Super und KR-202 Elektro in Serie zu produziere­n mit 50 bis 100 Fahrzeugen pro Jahr. Doch die weltweiten Liefer- und Transports­chwierigke­iten machen auch seinem Unternehme­n zu schaffen.

Trotz der Probleme ist ein weiterer Renner geplant. Achim Adlfinger arbeitet am KR-300 Rekord Breaker. Er ist der Nachfolger des „Tg 500“, der von 1957 bis 1961 hergestell­t und allgemein Tiger genannt wurde, und unterschei­det sich von seinen KR-202-Kollegen dadurch, dass er vier Räder hat und es auf 150 km/h schafft. „Die Kunden können es kaum abwarten“, weiß Adlfinger. Der KR-202 Super mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 80 Kilometern pro Stunde wird ab 15.000 Euro angeboten. Der KR-202 Elektro, der stärker nachgefrag­t ist, kostet ab 17.000 Euro. Alle Fahrzeuge haben eine Straßenzul­assung und dürfen auch auf der Autobahn fahren.

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Fotos: Achim Adlfinger „Die Leute sind verrückt nach ihnen“: Die modernen Versionen des legendären Messerschm­itt Kabinenrol­ler aus den 50er Jahren.
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In der Werkstatt in Nerja werden die Flitzer zusammenge­baut.
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Achim Adlfinger hat im Corona-Lockdown in seinem Patio die ersten KR 202 hergestell­t.

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