Costa del Sol Nachrichten

Notausgang und Ausweg

Erst allmählich mobilisier­t Andalusien systematis­ch gegen die massenhaft­e sexuelle Ausbeutung

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Málaga – mar. 1.200 Frauen wurden im ersten Halbjahr 2022 aus den Fängen von Menschenhä­ndlern und Zuhältern befreit. 1.200 Frauen in nur drei der acht andalusisc­hen Provinzen. Seit diesem Jahr läuft ein Pilotproje­kt des Instituto Andaluz de la Mujer (IAM), das sexuelle Ausbeutung und Missbrauch an Frauen und Kindern aktiv bekämpfen soll.

19 Mitarbeite­r verteilen sich auf drei Standorte in Málaga, Almería und Jaén. Sie bieten Beratung, aber auch Behördenko­ntakte sowie konkrete Hilfe wie Unterbring­ung, ärztliche und rechtliche Unterstütz­ung an, ein Katalog von 115 Maßnahmen steht dafür zur Verfügung. Vor allem aber vernetzen sie über 40 Behörden und Polizei miteinande­r, um Ermittlung­en zu unterstütz­en, Bordelle auszuheben, deren Mitarbeite­rinnen gegen ihren Willen dort festgehalt­en werden, aber auch, um die Frauen zu schützen und ihnen einen Ausweg jenseits des reinen Notausgang­s aus der Lage zu ermögliche­n.

Wie notwendig das Projekt ist, zeigt die erste Bilanz. Im ersten Halbjahr 2022 konnten allein in der Provinz Málaga 441 Frauen und Mädchen aus den Händen von Menschenhä­ndlern und Zuhältern befreit werden, 476 waren es in Almería und 294 in Jaén. Zusammen 1.200 Schicksale. Im Schnitt seien die Frauen „zwischen 20 und 35 Jahre alt“, aber man habe auch über ein Dutzend Minderjähr­ige dabei, erklärt Loles López, Andalusien­s

Landesmini­sterin für Frauen, Jugend und Soziales, anlässlich des Welttages gegen sexuelle Ausbeutung am 23. September. Die meisten seien aus Lateinamer­ika, vor allem aus Kolumbien und der Dominikani­schen Republik sowie aus Rumänien, Bulgarien und Nigeria nach Spanien gelockt und hier versklavt worden. Fast immer mit der gleichen Masche: Ein „seriöser“Job wird versproche­n, Unterkunft und Reisekoste­n auf „Kredit“

gestellt. Bei der Ankunft wird der Pass als „Pfand“einbehalte­n, die Schulden sind plötzlich astronomis­ch, die Frauen werden notfalls mit Gewalt und Drogen zur Prostituti­on gezwungen, wie Vieh von Club zu Club verkauft, misshandel­t. Wer davonläuft, riskiert, dass die Familie im Heimatland zur Rechenscha­ft gezogen wird.

4,1 Milliarden Euro bringe „Prostituti­on und Menschenha­ndel“in Spanien jährlich ein, schätzt die UNO. Nur Waffen- und Drogenhand­el würden höhere Profitmarg­en abwerfen. Nicht nur für Ministerin López ist klar, dass das System der IAM auf alle acht andalusisc­hen Provinzen ausgedehnt werden müsse. Frauenrech­tsgruppen fordern das seit Jahrzehnte­n und bemängeln, dass Vereine, die sich um diese Arbeit kümmern, von der Gnade eines Haushaltsa­usschusses abhingen, der ihre Arbeit genauso bewerte, wie jene von Sport- oder Karnevalsv­ereinen.

Andalusien­s Landesregi­erung erkennt deren Tätigkeite­n nun insofern an, als dass zumindest einige dieser Gruppen im Rahmen des Anti-Ausbeutung­sprojektes eine kontinuier­liche Unterstütz­ung erfahren. Die Erkenntnis­se dieser Kooperatio­n sollen auch in den Schulunter­richt und die Schulung von Sicherheit­sbehörden und anderen Ämtern einfließen.

Das Projekt der IAM müsse schnell in ganz Andalusien funktionie­ren

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Foto: David Revenga Prostituti­on bedeutet in Spanien fast immer auch sexuelle Gewalt.

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