Liebe Leser,
reich und arm, oben und unten. Gerade in
Krisenzeiten tritt sie wieder mit voller
Wucht an die Oberfläche, diese uralte Gesellschaftsordnung, wird die soziale Ungleichheit brisanter denn je spürbar. Diese Krise trifft jeden irgendwie, ja, aber in ziemlich unterschiedlichem Maße. Dass man die Besserverdiener zu Solidarität mit denen „da unten“zwingen muss, wie es jetzt die Regierung mit der Reichensteuer vorhat, ist traurig, aber nicht überraschend. Vielen Vermögenden liegt es mehr als fern, in die Haut von jemandem zu schlüpfen, der jeden Euro, jetzt wahrscheinlich sogar jeden Cent zweimal umdrehen muss, um ans Monatsende zu kommen. Der jeden Tag ein Wunder vollbringen muss, um der Familie ein einigermaßen nahrhaftes Essen auf den Tisch zu stellen, die Miete oder das Darlehen zu bezahlen, Strom-, Wasserund Gasrechnung zu begleichen und der jeden Tag hoffen muss, dass nicht irgendeine unvorhergesehene Ausgabe alles zunichte macht.
Wie sollen sie sich auch mit ihnen identifizieren? Laut einer Studie des Peterson Institute for International Economics von 2016 hat über die Hälfte der Multimillionäre in Spanien ihr Vermögen durch Erbschaft erhalten. Seit sie das Licht der Welt erblickt haben, hat es ihnen an nichts gemangelt. Und selbst diejenigen, die durch Können, harte Arbeit oder Talent in die Liga der Superreichen aufgestiegen sind, wie Fußballprofis oder Stars der Unterhaltungsbranche, vergessen ziemlich schnell, wie das war, wenn man aufs Geld schauen musste. Etliche verlieren den Bezug zur Realität, die Probleme der Welt gehen sie scheinbar nichts an. Das beste Beispiel gaben Mbappé und der Trainer von Paris Saint Germain Anfang September ab. Als sie bei einer Pressekonferenz gefragt wurden, warum sie mit einem Charterflugzeug statt mit dem Zug zu einem zwei Stunden entfernten Auswärtsspiel anreisten, reagierten sie mit Spott und Gelächter. Als ob der Klimawandel sie nichts anginge. Als ob sie der Rest der Welt nichts anginge. Als ob sie all ihren Luxus ohne diesen anderen Teil der Gesellschaft, den da „unten“, haben könnten.
Anne Götzinger, Redakteurin