Sevilla ist nur der Anfang
Andalusien ruft Wassernotstand für zwei Millionen Bürger in Provinz Sevilla aus: Lange Verbotsliste – Weitere Regionen folgen
Sevilla – mar. Seit November 2021 steht praktisch ganz Andalusien unter der Vorwarnstufe für extreme Trockenheit, im Frühjahr 2022 rief Málaga den Wassernotstand aus, als schlagartig wochenlange, extreme Regenfälle einsetzten. „Bis 2024 haben wir Wasser“riefen die Behörden nach „Celia“. Danach fiel lange kein Tropfen mehr, folgte der wärmste Sommer in Spanien seit Beginn exakter Aufzeichnungen 1961. Avocadobauern, Massentourismus, Golfplätze, Verdunstung und leckende Rohrleitungen leerten Flüsse und Stauseen im Handumdrehen.
Mehrere Gemeinden mussten bereits mit Tankwagen versorgt werden, neue Überleitungen von einem Stausee in den anderen bringen kurz Entspannung, bis sie den Wassermangel quasi exportieren. Selbst in Galicien, Spaniens regenreichster Region, führten weniger Regen, extreme Temperaturen im Sommer und höherer Verbrauch für Landwirtschaft und Tourismus zu einem nie gesehenen Mangel.
Absehbarer Notstand
Vor einigen Wochen trocknete der Nationalpark Doñana – eigentlich eines der größten Feuchtgebiete Europas – endgültig aus, die letzte Lagune wurde durch tausende illegale Brunnen und Ableitungen für Erdbeerplantagen leergesaugt, zudem regnet es seit einer Dekade um ein Drittel weniger als zuvor.
Der Pegel des Flusses Guadalquivir, die Lebensader Andalusiens, steht im Schnitt bei 25 Prozent, der Guadiana bei knapp 30 Prozent. Die Stauseen der Provinz Sevilla haben halb so viel Wasser wie im Schnitt der letzten zehn Jahre. Beim Wasserversorger Emasesa schrillen die Alarmglocken . „Das Ende ist bereits ausrechenbar“, so das Management.
Das Wasserdefizit aller Reservoirs in der Provinz Sevilla betrug im hydrologischen Jahr 2020/21 115 Kubikhektometer, die sich zu den 175 des hydrologischen Jahres 2019/20 summieren. Während im September 2018 noch 641 Kubikhektometer Trinkwasser verfügbar waren, sind es im Moment nur 269,4. Das bedeutet auch: Selbst wenn jetzt wieder normale Regenmengen einsetzen, schleppt das Land das Wasserdefizit der letzten Jahre mit sich.
Es müsste also in den folgenden drei Jahren wenigstens ein Drittel mehr regnen als im langjährigen Schnitt, um wieder in einen „Normalzustand“zu kommen, der wohl so schnell nicht wieder erreicht wird. Und selbst wenn die gleichen Mengen wieder fallen, so die Prognose, dann werden sie es derart schlagartig tun, dass der Regen vom Segen zur Katastrophe wird und das meiste Wasser ungenutzt abfließt.
Seit 3. Oktober gilt nun Stufe 1 des Wassernotstands für die Provinz Sevilla mit 1,95 Millionen Einwohnern, also jedem vierten Andalusier, ein Notstands-Dekret, das mit einer langen Liste von Maßnahmen und bei Vergehen mit Strafen verbunden ist:
● Verboten ist das Gießen mit Trinkwasser privater und öffentlicher Gärten, Bäume, Grünflächen, einschließlich des Rasens von Fußballfeldern und Golfplätzen.
● Das Reinigen von Straßen, Fußwegen, Gebäuden (auch privaten) oder sonstigen Installationen mit Trinkwasser ist verboten.
● Verboten wird das Befüllen und Betreiben von öffentlichen Schwimmbädern, privaten Pools, Brunnen, die keinen technisch zertifizierten
geschlossenen Wasserkreislauf vorweisen können.
● Öffentliche Trinkbrunnen werden abgestellt, wenn sie keinen Abschaltautomatismus haben.
● Das Reinigen von Fahrzeugen aller Art mit dem Schlauch (oder für Schlaumeier: mit Schwamm oder Eimer) ist außerhalb lizensierter Betriebe verboten.
● Klima- und Gefriersysteme ohne geschlossenen Kreislauf sind abzuschalten.
Das Golfplatz-Privileg
Viele, aber nicht alle Gemeinden Sevillas, haben ihre Grünflächenpflege und die Straßenreinigung längst auf aufbereitetes Wasser umgestellt, das aus Aufbereitungsanlagen kommt, die das Wasser nicht für den menschlichen Konsum klären können. Diese Gemeinden können mit diesem Wasser natürlich weiter gießen. Doch längst nicht alle Kommunen haben dazu Zugang. Außerdem sorgten Politiker und Lobbyisten dafür, dass etliche Aufbereitungsanlagen – noch dazu mit öffentlichen Geldern – so ausgelegt wurden, dass das Wasser gerade noch für private Golfplätze und -clubs taugt, die sich so von Einschränkungen freimachen
können. Golfplätze genießen in Andalusien also ein Wasser-Privileg.
In Andalusien gibt es 109 Golfplätze, die so viel Wasser verbrauchen wie die Städte Sevilla und Granada zusammen, so viel, wie fast eine Millionen Menschen benötigen. Bei weitem nicht alles davon ist aufbereitetes Wasser. Diesen Zustand zu ändern, die Aufbereitungsanlagen so auszubauen, dass sie Trinkwasser oder zumindest Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft produzieren, dazu braucht es neben dem politischen Willen viel Geld. Doch lieber erlässt die PP-Landesregierung einigen tausend Gutbetuchten die Vermögenssteuer, verliert dadurch Zigmillionen Euro und bettelt anschließend polemisch bei der Madrider Zentralregierung um Geld für diese Projekte.
Um weitere Einschränkungen vor allem für die Menschen zu vermeiden, will der Sevillaner Wasserversorger Emasesa den durchschnittlichen Verbrauch pro Einwohner von derzeit 112,5 Liter pro Tag auf mindestens 90 senken (zum Vergleich: 250 Liter ist der Verbrauch pro Tourist und Tag an der Costa del Sol) und bittet daher auch um freiwillige Mitwirkung, etwa durch kürzeres Duschen, effizientes Wäschewaschen und Geschirrspülen, den Einbau von Wasserzerstäubern in die Wasserhähne sowohl in privaten Haushalten als auch in der Gastronomie und bei anderen Unternehmen.
Bleibt das Wasser länger aus, schmelzen die Ressourcen in Andalusien weiter zusammen, muss der Notstand um eine Stufe erhöht werden. Was dann folgt: Einschränkungen für die Landwirtschaft (die rund zwei Drittel des Wassers verbraucht), dann für Industrie und Gewerbe, einschließlich des Tourismus’ samt Hotels und am Ende notfalls auch Rationierung von Wasser für Privathaushalte.
Diese Woche wurde den Bauern der Kreise Guadalhorce und Axarquía in der Provinz Málaga der Zugang zum Stausee La Viñuela gekappt. Proteste nutzten wenig, denn in dem Reservoir ist kein Wasser mehr.
Verbrauch pro Person und Tag muss um wenigstens 20 Prozent sinken