Auf dem iberischen Weg
EU-Energieminister einigen sich auf Eingriff in den Strommarkt
Madrid/Brüssel – tl. So schnell war selten ein EU-Ministertreffen zu Ende. Im Schnelldurchgang verständigten sich am 30. September die Energieminister auf einen Eingriff in den Strommarkt, um die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen und die Konsumenten zu entlasten. Trotz der Einigung war Spaniens Energieministerin Teresa Ribera nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Denn darüber, wie auch die Gaspreise gesenkt werden können, wurde nur diskutiert, aber nichts beschlossen. Gleichwohl kann die spanische Regierung mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass sich die EU in der Energiepolitik nun in eine Richtung bewegt, die man schon vor einem Jahr empfohlen hatte.
Die beschlossene EU-Verordnung zwingt die Mitgliedsstaaten, die Marktlagengewinne – auch Zufallsgewinne genannt – von billigen Kraftwerken abzuschöpfen und in Hilfsprogramme für Verbraucher und Unternehmen umzuleiten. Für Strom-Anbieter von Erneuerbaren Energien, Atomkraft oder Kohle wurde eine Preisobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde festgelegt. Allerdings können die Mitgliedsstaaten die Strompreis-Deckelung flexibler gestalten und beispielsweise für ÖkoStrom niedrigere Grenzen festlegen.
Begonnen werden soll mit der Abschöpfung der Marktlagengewinne ab 1. Dezember. Laufen soll sie bis Juni kommenden Jahres. Sie gilt auch rückwirkend für 2022. Spanien hat bereits eine ähnliche Regelung ab Januar 2023 beschlossen, will aber die eigene Lösung nun an die EU-Verordnung anpassen. Ferner sieht die Verordnung eine einmalige Solidarabgabe für alle Unternehmen vor, die ihr Geschäft mit Öl, Gas oder Kohle
betreiben. Der „Soli“ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahresgewinn der vergangenen vier Jahre. Übergewinne von mehr als 20 Prozent werden mit mindestens 33 Prozent besteuert. Insgesamt erwartet die EU-Kommission von ihren Abschöpfungsmaßnahmen einen Erlös in Höhe von 140 Milliarden Euro.
Ein weiterer Punkt betrifft die Senkung des Stromverbrauchs. So werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, zwischen Dezember und März den Stromverbrauch zu Spitzenzeiten um fünf Prozent zu reduzieren. Allerdings kann auch hier flexibler vorgegangen werden.
Noch kein Konsens ist in Sicht in der Frage, wie mit dem Gaspreis umgegangen werden soll. Spanien und 14 weitere Länder hatten von der EU-Kommission gefordert, eine Deckelung zumindest für Importe einzuführen. Das scheitert bislang am Widerstand Deutschlands, das fürchtet, dass dann nicht mehr genug Gas nach Europa gelangt. Auch die EU-Kommission sieht die Versorgungssicherheit in Gefahr.
Energiekommissarin Kadri Simson brachte das „Iberische Modell“ins Gespräch. So haben Spanien und Portugal bereits einen Preisdeckel für Gas in der Stromprodukion eingeführt, der zur einer deutlichen Senkung des Börsenpreises geführt hat. Der Preis, den die Kraftwerke für den Einkauf von Gas zahlen, würde subventioniert. Wobei die Preisobergrenze
hoch genug sein müsste, damit der Gasverbrauch in der Stromproduktion nicht steigt. Was in Spanien angeblich der Fall sein soll, von Energieministerin Ribera aber geleugnet wird. Auf ein von Simson vorgeschlagenes Preislimit für russisches Gas konnten sich die Minister ebenfalls nicht einigen.
Kritik am unlängst verkündeten 200-Milliarden-Hilfsprogramm der Bundesregierung musste sich bei dem Treffen der deutsche Minister Robert Habeck unter anderem von spanischer Seite anhören. Kollegin Ribera warnte, dass derartige massive Unterstützung den gemeinsamen Binnenmarkt beeinträchtigen könnte. Luxemburgs Claude Turmes sprach von einem „wahnsinnigen Wettbewerb“, was die Größe der Hilfspakete betreffe. Nicht alle EU-Staaten hätten den finanziellen Spielraum wie Deutschland.
Mitgliedsstaaten wollen Stromverbrauch zu Spitzenzeiten um fünf Prozent senken