Im Bann der Dreitausender
Capileira, Bubión und Pampaneira: Die drei weißen Alpujarra-Dörfer über dem Tal des Poqueira
„Drei weiße Flecken, die mit dem ewigen Schnee des Veleta wetteifern“. Diesen Satz las ich einmal in einer spanischen Broschüre und er ließ mich nicht mehr los. Was war damit gemeint? Wo der meist schneebedeckte Pico Veleta zu finden war, wusste ich, demnach mussten die drei weißen Flecken in der Nähe dieses Berges und somit im Süden von Granada liegen. Die Neugierde packte mich und ich machte mich auf den Weg. Ich fand die drei weißen Flecken als „weiße Dörfer“in der Poqueiraschlucht, in der Alpujarra im Nationalpark Sierra Nevada und war sofort begeistert. Seitdem zieht es mich immer wieder da hin.
Pampaneira, Bubión und Capileira heißen diese Orte, die sich von 1.050 bis 1.436 Höhenmeter seitlich der Poqueiraschlucht den Hang hinaufziehen. Und von jeder Gasse fällt der Blick immer wieder auf die höchste Gebirgskette Spaniens, aus deren Relief der Mulhacén mit seinen 3.478 Metern und der Pico Veleta mit seinen 3.392 Metern markant herausragen.
Naturerbe der Unesco
Diese einmalig schöne Schlucht wurde durch die Unesco zum Naturerbe und Biosphärenreservat erklärt und ist mittlerweile schon fast kein Geheimtipp mehr. Denn immer mehr Touristen entdecken diesen herrlichen Landstrich und möchten die Einzigartigkeit dieser früheren Berberdörfer genießen. Dort, wo zwischen Kastanienhainen, Ginster, Klatschmohn und Weißdorn markierte Wanderrouten zu den höchsten Gipfeln führen. Dort, wo die wilden Bäche der Sierra Nevada ins Tal rauschen und dort, wo man auch heute noch den maurischen Atem spüren kann.
Kein Wunder also, dass sich viele „Aussteiger“für immer hier niedergelassen haben. Einen davon traf ich in Pampaneira, dem untersten der drei Dörfer. In seinem kleinen Laden malte er gerade voller Inbrunst ein Landschaftsbild. Er nennt sich jetzt Pedro, ist aber Deutscher und hieß mal Peter.
Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass er schon seit 30 Jahren hier lebt. „Einmal gesehen
und dann geblieben“das waren seine knappen Worte. „Zum Leben braucht man nicht viel, man muss nur zufrieden und glücklich mit sich und seiner Umgebung sein. Schau Dich einmal richtig in meinem
Ort um, dann wirst Du mich verstehen“, sagte er.
Im Sommer voller Leben
Natürlich verstand ich ihn, obwohl Pampaneira dem ersten Anschein nach als das touristischste der drei Bergdörfer wirkt. Überall hängen bunte handgewebte Decken, viele kleine Läden bieten Keramiken und Kunstgegenstände an und eine Bar reiht sich an die andere. Es herrscht hier – zumindest in der Sommersaison – ein reges Treiben.
Mischen auch Sie sich unter die Touristen aus aller Herren Länder, nehmen Sie ein Glas Wein oder einen café con leche auf dem Dorfplatz ein und bewundern Sie dabei die dominante, unter Denkmalschutz stehende barocke Pfarrkirche aus dem 16. Jahrhundert. Genießen Sie den Schinken aus dem nahe gelegenen Trevélez oder auch die exquisiten Süßigkeiten, die heute noch nach arabischen Rezepten hergestellt werden.
Beschauliche Abende
Wenn sich der Ort am Abend leert, der letzte Omnibus die Besucher mitnimmt und die knapp 300 Einwohner unter sich sind, dann wird es ruhig und beschaulich. Und dann versteht man Pedro und beginnt zu ahnen, warum er sich hier so wohl fühlt. Aber schließlich braucht er auch ein wenig den Rummel, er muss ja auch seine Kunstgegenstände verkaufen und von irgendetwas leben.
Von Pampaneira sind es nur wenige Kilometer bergauf in die
beiden idyllischen Nachbarorte Bubión und Capileira. Was jeden Reisenden, der in diese andalusische Gegend kommt sofort beeindruckt, ist die Architektur dieser Orte, vor allem derjenigen in der Schlucht des Poqueira.
Die Dörfer gleichen einem bezaubernden Labyrinth von engen steilen Gassen, teilweise mit Laubengängen bedeckt und überreichlich mit Blumen geschmückt. Die typischen, schiefergedeckten Flachdächer mit den zylindrischen Kaminen prägen das Ortsbild. Auf diesen Flachdächern hängen Maiskolben und Paprikabündel zum Trocknen. Kleine Geschäfte, Andenkenläden und auffallend viele Bars machen die Orte gemütlich und liebenswert.
Galicier statt Morisken
Heutzutage lebt man ruhig und friedlich in dieser wundervollen Gebirgsregion, aber im 16. Jahrhundert gab es unter den hier lebenden Mauren eine große Unruhe. Denn Philipp II. erließ im Jahre 1567 ein Gesetz, in dem er den Gebrauch der arabischen Sprache und die Ausübung der Religion verbot. Es gab harte Kämpfe und nachdem die Rebellion erstickt war, wurden die überlebenden Morisken ausgewiesen. Nach einer Besiedelung mit Bauern aus Galicien, León, Asturien und Kastilien erlebte die Gegend einen allgemeinen Rückschritt und geriet geschichtlich in Vergessenheit.
Aber dank der landschaftlichen Schönheit und natürlich auch der Nähe zur Costa del Sol – vom Mulhacen zur Küste sind es nur 50 Kilometer – erholte sich die Region allmählich wieder. Heute bewundert man all das, was die Araber in jahrhundertelanger harter
Arbeit geschaffen haben. Durch Terrassenanbau und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem haben sie das Land urbar gemacht.
Aufgrund dessen gibt es hier eine reiche Ernte an Früchten, werden Mandeln und leckerer Wein angebaut und auch einer der besten Schinken stammt aus der Alpujarra. In kaum einer anderen Gegend Andalusiens ist der 800-jährige
arabische Einfluss stärker erhalten geblieben als in diesen drei kleinen Bergdörfern am Tal des Poqueira.
Capileira, das höchstgelegene der drei „weißen Flecken“liegt auf
auf einer Höhe von 1.436 Metern und ist nach dem „Schinkenort“Trevélez das zweithöchste Dorf der iberischen Halbinsel. Von den drei Orten der Schlucht hat Capileira die größte Kapazität an Hotelbetten, jedoch sind alle Gebäude wundervoll der Landschaft und dem Ortsbild angepasst.
Nehmen Sie sich genügend Zeit, den Ort zu entdecken. Jede Ecke zeigt ein anderes Gesicht und eindrucksvolle Ausblicke hat man überall. Capileira ist stolz auf seine drei Brücken, die über den Rio Poqueira führen, der vom Schmelzwasser und den vielen Quellen der hohen Berge gespeist wird.
Immer mehr Wanderer verbringen ihren Urlaub in diesem gemütlichen Bergdorf. Denn wer möchte nicht einmal dem höchsten Berg des spanischen Festlandes nahe sein und ihn sogar besteigen? Mit einer guten Kondition lässt sich das leicht in die Tat umsetzen, denn ein kleiner Shuttlebus bringt Wanderer und Ausflügler dreimal täglich von Capileira hinauf zum Fuße des Mulhacén auf 2.700 Meter Höhe. Von dort ist es für gute Wanderer dann auch nur noch eine mittelschwere Tagestour bis zum Gipfel und zurück.
Aber auch für Ausflügler lohnt sich diese für Privatfahrzeuge gesperrte Auffahrt. Auf gutem Spazierweg erreicht man in einer Stunde eine Berghütte, wo man dem
Pico Veleta direkt ins Angesicht blickt. Die liebenswerten Damen der Tourist.-Info von Capileira werden Sie gerne über die vielfältigen Wander- und Ausflugsmöglichkeiten informieren.
Die Dörfer am Poqueira ziehen Wanderer und Aussteiger magisch an
Frühsommer oder Herbst
Am schönsten ist das Poqueiratal im Frühsommer, wenn die hohen Gipfel noch schneebedeckt sind und im Tal tausend bunte Bergblumen blühen. Dann allerdings hat man etwas Schwierigkeit, trockenen Fußes über den Gipfel des Mulhacén zu kommen. Eine gute Ausflugszeit ist auch der Herbst, wenn sich die Laubbäume goldgelb färben und die Natur so langsam auf den herannahenden Winter wartet.
Aber ganz egal wann, man wird sich immer schweren Herzens von dieser wundervollen Gegend verabschieden. Vielleicht auch dabei den mutigen Aussteiger Pedro bewundern oder sogar beneiden, der sich die „drei weißen Flecken“zur zweiten Heimat auserkoren hat.