Liebe Leser,
eine gute Nachricht zum Start: Man muss nicht mehr chronisch happy sein. Viele
Menschen, darunter mancher Promi, meldeten sich am Montag zu Wort und standen zu ihren Problemen mit der Psyche. Anlass war der UN-Tag der seelischen Gesundheit. Immer häufiger fallen die Masken vor den inneren Schwächen. An sich ist das noch nichts Gutes, da es offenbart, dass unsere schöne bunte Welt gar nicht so beglückend ist, wie sie oft vorgibt. Andererseits ist es aber erfreulich: Weil es Ehrlichkeit bringt in die blinkende Ära der Netzwerke und erhobenen Daumen. Eine Ehrlichkeit, die neu motivieren kann.
Denn mal so gefragt: Was soll ich in einer Welt, in der jeder um mich ein wunderbares Leben voller Reisen, Bekanntschaften und Leckereien genießt, wenn ich spüre, dass mein eigenes Leben mir (trotz aller schöner Dinge) schwer zu schaffen macht? Es ist eine gute Nachricht, wenn ich nicht allein bin in meiner Verletzlichkeit, Ratlosigkeit, Depression. Eine großartige Nachricht ist es gerade für die Schwächeren. Die Einsamen, die Senioren. Oder die Jugendlichen, heute so geplagt von sozialen Phobien und Suizidgedanken. Ehrlichkeit tut gut. Mir und den Menschen um mich. Einen interessanten Beitrag dazu steuert aktuell ein Fußballer bei.
Im Buch „Alles geben“schildert Ex-Bundesliga-Star Neven Subotić sein neues Leben, seit er begann, in Äthiopien Brunnen zu bauen. Lange hatte sich bei ihm alles um ihn selbst gedreht: Häuser, Autos, Urlaube, Partnerinnen all das reine Konsumgüter fürs Ich. Doch der Kicker litt in der Tiefe der Seele. Erstaunlich offen schildert Subotić seine Scham, wenn er ans alte Leben denkt, das doch in wesentlichen Zügen den westlichen Lebensstil widerspiegelt. Seit er sich abkehrte von der Show und ehrlich in den Spiegel sah, sei er wieder begeisterungsfähig. Richtig Fan sei Subotić geworden: von Menschen, die nicht prominent oder mächtig sind, aber die kleine Welt um sich ein Stück besser machen. Vielleicht ist es ein Anreiz zum nächsten UN-Tag am 17. Oktober, in dem es um die Überwindung der Armut geht. Materieller und seelischer Armut. Seien wir ehrlich!
Stefan Wieczorek, Redakteur