Costa del Sol Nachrichten

Ohrfeige für die Armen

„Kaum Einbußen“durch Wegfall der Vermögenss­teuer: Wo das Geld der Reichen fehlt

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Sevilla – mar. Das Steuergesc­henk, das Andalusien­s Landeschef Juanma Moreno kürzlich seinen reichsten Landsleute­n machte, sorgt weiter für Diskussion­sstoff. 0,2 Prozent der Bevölkerun­g, rund 17.000 Wohlhabend­e, sparen sich ab diesem Jahr pro goldener Nase rund 5.800 Euro. Ein Betrag, den diese Gruppe kaum bemerkt, ebenso wie sie zehn Prozent Inflation kaum belastet. In Summe aber sind das jährlich rund 120 Millionen Euro, die dem öffentlich­en Haushalt verloren gehen. „Obsolet, kaum Einbußen“, so Moreno.

Die nach 40 Jahren abgewählte PSOE blieb vergleichs­weise still. Vielleicht, weil sie es in vier Jahrzehnte­n nicht schaffte, das mit natürliche­n Ressourcen und Schönheit überreich beschenkte Andalusien vom Armenhaus zur schmucken Finca umzubauen. Vielleicht, weil die PSOE-Regenten ihrem Land durch die gerichtlic­h mit Haftstrafe­n für Ex-Landesmini­sterpräsid­enten belegten ERE-Skandale noch rund 600 Millionen Euro schulden.

Dass Moreno, nun „absoluter“PP-Herrscher im Land, durch sein Steuergesc­henk andere Ziele verfolgt, als „Unternehme­r zu Investitio­nen zu animieren“, Andalusien als steuerscho­nende Adresse im landesweit vom Zaun gebrochene­n Steuerwett­kampf der PP-Regionen zu positionie­ren, liegt auf der Hand. Moreno führt seinen Parteifreu­nden vor, dass er nicht nur ein Landesbaro­n, sondern womöglich sogar ein Kronprinz sein könnte.

Nach außen moderat, staatsmänn­ischer als die Madrider Krawall-Furie Isabel Díaz Ayuso. Es stehen Wahlen an, es riecht nach Machtwechs­el und Posten. Warum soll der übernächst­e Regierungs­chef Spaniens – nach PP-Parteichef Fejióo

nicht Moreno heißen? „Andalusien­s Politik gibt den Rhythmus in ganz Spanien“vor, erklärte Moreno von sich selbst begeistert.

Die sozialen Probleme in Andalusien werden durch die Steuersenk­ung für Reiche naturgemäß nicht geringer. Gerade bescheinig­te das Statistika­mt INE dem Land wieder, 24 der 30 ärmsten Gemeinden zu stellen, mit 17,7 Prozent die höchste Schulabbru­chrate von Lissabon bis Bukarest zu haben. 1.200 Krankenpfl­eger wanderten binnen eines Jahres ab, so deren Gremium CAE, während das Land immer mehr öffentlich­es

Geld an private Spitäler zahlt, weil die für das schrumpfen­de öffentlich­e Gesundheit­ssystem einspringe­n müssen – oder dürfen. 120 Millionen Euro lösen dieses strukturel­le Problem nicht. Aber 120 Millionen Euro könnten für viele Familien einen Unterschie­d zwischen Elend und würdiger Armut machen. Und das ist ein Unterschie­d.

Das konnte man gerade sehen, als das ERACIS+ Programm Bilanz zog, hinter dem sich Landesbehö­rden, Vereine und Stiftungen, „verbergen“, um sich um die Ärmsten der Armen zu kümmern. 180 Millionen Euro hat das Programm jährlich zur Verfügung. Bei ERACIS+ geht es vor allem um die berüchtigt­en Armenghett­os Andalusien­s, den Polígono Sur und andere periphere Elendsbezi­rke. 1.600 Mitarbeite­r begleiten dort soziale Maßnahmen, Arbeitssuc­he,

Schulungsp­rogramme, Kinderund Jugendarbe­it vor Ort, Empowermen­t von Frauen, Installati­on von Solarpanel­en zur energetisc­hen Unabhängig­keit, Suppenküch­en, Drogenauss­tiegsprogr­amme, Nachhilfe gegen Schulabbru­ch. „Neue Horizonte“bräuchten, so die Verantwort­lichen, in den „am meisten benachteil­igten Vierteln“vor allem aber die mittleren Jahrgänge zwischen 30 und 50.

Fast das gesamte Geld für das Programm kommt aus EU-Mitteln, die 180 Millionen Euro müssen für 914.000 Personen, zwölf Prozent der Bevölkerun­g Andalusien­s, genügen, die „in unmittelba­rem Armutsrisi­ko und sozialer Ausgrenzun­g“leben. Pro Person bleiben dafür also 196 Euro im Jahr, während jeder Millionär Andalusien­s 5.800 Euro zusätzlich geschenkt bekommt.

Warum soll der übernächst­e Regierungs­chef Spaniens nicht Moreno heißen?

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Foto: Junta de Andalucía Die soziale Schieflage bekämpft Moreno mit seiner Steuerrefo­rm nicht.

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