Energiekrise killt Wettbewerb
Große Konzerne nutzen ihre Macht – Die Kleinen werfen das Handtuch
Madrid – tl. Die großen Energiekonzerne sind die Profiteure der Energiekrise. Ihre Gewinne steigen steil in die Höhe. Ins Hintertreffen geraten Anbieter, die im Zuge der Liberalisierung dem Oligopol der Großen durchaus erfolgreich zugesetzt hatten. Ins Hintertreffen geraten aber auch die Verbraucher bei diesem Rückfall in alte Verhältnisse. Denn weniger Anbieter bedeutet auch immer weniger Wettbewerb.
Im Juli gab der Stromkonzern Endesa stolz bekannt, dass man innerhalb eines Jahres eine Million neuer Verträge für den freien Markt geschlossen habe. Der Erdgas-Riese Naturgy vergrößerte seinen Kundenstamm um 600.000 neue Vertragspartner. Ein Trend, der für den gesamten Sektor gilt: Nach Daten der Nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) haben die drei Großen Iberdrola, Endesa und Naturgy zwischen Juni 2021 und März 2022 1,5 Millionen neue Kunden gewonnen. Die meisten kamen aus dem regulierten Markt. Sie wollten offenbar die starken Strompreisschwankungen vermeiden, die sich beim regulierten Tarif direkt auf die Stromrechnung auswirken.
David gegen Goliath
„Statt die Zufallsgewinne zu zahlen, haben die Konzerne Tarife zu außergewöhnlich günstigen Konditionen angeboten, um Kunden zu gewinnen vor allem von Anbietern, die diese Konditionen nicht liefern konnten“, erklärt Javier Bescós, Direktor für Preisgestaltung des unabhängigen Stromanbieters Fenie Energía, gegenüber der Zeitung „El País“.
Weil die unabhängigen Anbieter keine Stromproduzenten sind, müssen sie die Energie auf dem Spotmarkt kaufen. Das geht gut, solange der Strom billig ist. Ist er das nicht, können sie sich keine
günstigen Angebote leisten, wollen sie nicht Verlust machen. „So ist Wettbewerb schwierig, und deshalb verlieren wir scharenweise Kunden“, sagt Asier Gorostiza, Präsident der Vereinigung der unabhängigen Energieanbieter (Acie). „Das Einzige, was wir verlangen, sind die gleichen Spielregeln wie für die Großen. Wir wissen, dass es ein Kampf David gegen Goliath ist, aber vorher haben wir wenigsten mit den gleichen Waffen gekämpft – jetzt aber nicht mehr“, klagt Gorostiza.
In den vergangenen Monaten haben rund 50 unabhängige Stromanbieter das Handtuch geworfen. Zum einen wegen des Verlustes an Kunden. Zum anderen, weil die Kaution, die sie hinterlegen müssen, wenn sie auf dem Spotmarkt einkaufen, mit den Strompreisen ebenfalls in die Höhe gegangen ist. Zwar hat die Nationale Energiekommission (CNE)
diese Garantieleistungen jüngst gesenkt, doch die Vereinigung hält das für nicht ausreichend.
Noch dramatischer ist die Situation auf dem Gasmarkt. Auch hier sind bereits viele Anbieter pleite gegangen. Andere haben die Versorgung eingestellt, weil sie zu den vertraglich festgelegten Preisen nicht liefern können, wie etwa der freie Anbieter Holaluz vergangene Woche.
Viele unabhängige Strom- und Gasanbieter gehen pleite
Eine ähnliche Wettbewerbsverzerrung spielt sich auf dem Tankstellenmarkt ab. In den vergangenen Jahren haben die freien Tankstellen Boden gutgemacht und Marktanteile gewonnen. Seit einigen Monaten geht die Entwicklung wieder rückwärts. Zusätzlich zum
staatlichen 20-Cent-Rabatt bieten die großen Mineralölkonzerne – Repsol, Cepsa und BP – über Treueprogramme einen Preisnachlass von zehn Cent an. Zwar gibt es immer noch einen Unterschied zwischen freien und MarkenTankstellen, doch die Differenz ist inzwischen nur noch minimal.
Die Vorgehensweise der Großen ist einfach. Mit ihren Raffinerien fahren die Mineralölkonzerne hohe Gewinne ein. Mit einem Teil davon wird intern der Benzin- und Dieselpreis an den konzerneigenen Tankstellen subventioniert. „Mit diesem zusätzlichen Rabatt sind die Preise der Großen auf gleichem Niveau wie die der Low-Cost-Stationen, wenn nicht sogar günstiger“, sagt Nacho Rabadán, Generaldirektor der Spanischen Vereinigung der Tankstellenbetreiber (Ceees). Was kurzfristig wie ein Preiskampf aussieht, ist letztendlich ein Verdrängungswettbewerb.