Spanien bei der WM 2022
La Roja fährt mit jungem Team in der Übergangsphase nach Katar – Am 27. November Spitzenspiel gegen Deutschland
Madrid – sk. Kein Mbappé, kein Messi und auch kein Ronaldo – Spanien fährt zu dieser Weltmeisterschaft eigentlich nur mit einem Star, nämlich mit Nationaltrainer Luis Enrique. Dessen beste Tage beim FC Barcelona sind zwar als Spieler (1996 bis 2004) wie als Trainer (2008 bis 2011) längst vorbei, trotzdem bilden Barça-Spieler und junge Nachwuchstalente das Rückgrat der spanischen Nationalmannschaft – was gar nicht so unumstritten ist im alten Kastilien, in dem sich alles um Madrid dreht.
Pas très enchanté zeigte sich Sergio Ramos auf Twitter. Der wieder zu Topform aufgelaufene Innenverteidiger vom Diva-Club Paris Saint-Germain muss die 22. Weltmeisterschaft und damit auch das Auftaktspiel der Spanier in der Gruppe E gegen Costa Rica am 22. November vom Sofa aus anschauen – es wäre die fünfte WM des ehemaligen Kapitäns der Furia Roja gewesen. Auch auf den vielleicht derzeit besten Torhüter der englischen Premier League, David de Gea, verzichtet der spanische Nationaltrainer. Dabei kann man nicht gerade sagen, dass dem
Weltmeister von 2010 der Ruf vorauseilt, hinten und vorne in der Spitze besonders gut aufgestellt zu sein. Und die beiden Weltklassespieler sind nur zwei der zahlreichen Spieler, denen das Nationaltrikot gut stehen könnte.
Nicht nur das bringt Real-Madrid-Fans auf die Palme. Im WMKader laufen sieben BarcelonaSpieler auf – Kapitän Sergio Busquets (34), Pedri González, Pablo Páez Gavira, Ferran Torres, Eric Garcia, Jordi Alba und Jungstar Ansu Fatimit, aber nur zwei – nämlich Dani Carvajal und Marco Asensio – stehen beim Erzrivalen Real Madrid unter Vertrag. Nun mag man über dieses ZickenTheater der Edelclubs, das die spanischen Gemüter so erhitzt, schmunzeln, aber ein wenig Mitgefühl kommt mit so wackeren Clubs wie Betis Sevilla oder Real Sociedad schon auf, die trotz beeindruckender Mannschaftsleistungen keinen Spieler entsenden können. Aber Luis Enrique macht eben sein eigenes Spiel, bei dem er sehr wohl auch auf Spieler von Valencia, Villarreal, Bilbao, Atlético oder aus der französischen und englischen Liga setzt.
Für 20 der 26 Nationalspieler ist es die erste WM. Auf dem Spiel steht aber viel für den Trainer, der einen tiefgreifenden Generationswechsel in der Nationalmannschaft durchgesetzt hat. Denn wenn es bei Spanien ein, zwei Spiele nicht rund läuft, bricht ein Sturm der Entrüstung über den unkonventionellen Coach herein. „Wir werden bestimmt nicht vor Angst sterben. Das ist die spanische Nationalmannschaft von Luis Enrique, die wird sich nicht ändern, weil jetzt die Weltmeisterschaft kommt. Es gibt auch keine Zweifel, was es zu sehen gibt. Wir werden versuchen, den Gegner zu dominieren und mehr Chancen zu generieren als er“, meint Luis Enrique.
Einer im Trikot der Spanier ist Dani Olmo vom RB Leipzig. „Jeder spanische Jugendspieler träumt davon, irgendwann mal für die spanische Nationalmannschaft bei einer WM aufzulaufen. Für mich geht dieser Traum jetzt in Erfüllung.“
Der 24-Jährige erwartet einen harten Kampf am 27. November um den Gruppensieg. „Deutschland hat einen tollen Kader mit Weltklassespielern. Das Spiel gegen Deutschland wird wie ein Finale für uns“, sagte er.
Keine Favoriten
Von Spanien wie Deutschland kann man sagen: Da ist alles und nichts drin. Favoritenrollen wie etwa Brasilien oder Argentinien kommen beiden Teams bei dieser WM nicht zu. Auch von den europäischen Mannschaften traut man eher Frankreich oder England den großen Wurf zu. So schätzt Abwehrspieler Antonio Rüdiger von Real Madrid die Form und Spielstärke der Deutschen ein: „Wenn man sich anschaut, was wir in den letzten Monaten gemacht haben, kann man schon sagen, dass es eine Überraschung wäre, wenn wir gewinnen“, sagt der Profi gegenüber der Sportzeitung „AS“.
Ähnlich wie in Spanien sieht er eine neue Generation am Ball, die in einer Übergangsphase steckt und noch etwas Zeit braucht. „Es ist eine neue Ära. 2014 gab es eine großartige Generation. Leute wie Kroos,
Götze, Lahm, Schweinsteiger. Aber ich denke, dass es jetzt auch eine große Generation von Spielern gibt, die in der Lage sind, etwas Wichtiges zu erreichen“, sagte Rüdiger.
Weder in Deutschland noch in Spanien löst diese Übergangsphase und die WM an sich bisher die Euphorie aus, die man von früheren Weltmeisterschaften kennt. Bleibt abzuwarten, ob die Faszination für das Spiel stärker sein wird als die Zweifel an der Ausrichtung dieses Wettkampfs unter den gegebenen Umständen. Die Zeitung „El País“hat daran erinnert, dass die erste Weltmeisterschaft in Uruguay ausgetragen wurde, ein winziges Land mit nur 3,4 Millionen Einwohnern, aber einer riesengroßen Begeisterung für den Fußball. Niemals käme die Fifa heute auf die Idee, eine WM allein in Uruguay auszutragen. Dabei ist Katar noch kleiner und Fußballtradition gibt es gar keine. Dort rollt nur der Rubel, werden Arbeitskräfte zu Tode geschunden, Frauen mit Missachtung und Homosexuelle mit dem Gesetz bestraft. Trotzdem, verflucht der „El-País-Kommentator“auch seine Inkonsequenz, landet am Ende die ganze Welt vorm Fernseher.
Dani Olmo: „Das Spiel gegen Deutschland wird wie ein Finale für uns“