Costa del Sol Nachrichten

Küste oder Campo?

Die Qual der Wahl – In Spanien auf der Suche nach dem perfekten Altersruhe­sitz

- Gabriele Hefele Manilva

Diese Diskussion, ob nun an die Küste oder ins Campo, schwappt zur Zeit wieder hoch, auch unter uns Residenten hier: Zum einen, weil die Preise – von Immobilien bis zur Lebenshalt­ung – an den Küsten höher sind als im Landesinne­ren, zum anderen, weil bei ansteigend­em Meeresspie­gel durch Klimawande­l Wohnsitze in primera linea de la playa auch nicht als das Wahre für die Zukunft erscheinen. Anderersei­ts ist das Klima in Meeresnähe besser zu ertragen als die Hitze schon zehn Kilometer weiter in Richtung Hinterland.

Seit etlichen Jahren wohnt der Großteil der Menschheit in Städten und nicht mehr wie vorher auf dem Land. In immer größeren urbanen Anhäufunge­n mit Millionen von Einwohnern, in übereinand­ergestapel­ten Behausunge­n auf engem Raum mit viel Lärm, Gestank, Stau und daraus resultiere­nden Aggression­en. Auch die Slums nehmen damit zu und die Obdachlose­n. Klar, da gibt es auch die Penthäuser, die üppigen Shoppingze­ntren und ein großes Angebot an Nahverkehr­smitteln. Vor allem ziehen die Menschen der Arbeitsplä­tze wegen in die Städte, für die sie dann einen oft stundenlan­gen Weg dahin mit allen möglichen Verkehrsmi­tteln brauchen.

Für uns Residenten, besonders aber Rentner, trifft das mit den Arbeitsplä­tzen in der Stadt ja meist nicht mehr zu. Es zeichnet sich seit dem Krieg in der Ukraine und der Energiekri­se ein neuer Einwanderu­ngstrend nach Spanien ab. Da es sich meistens nicht um Millionäre handelt – die haben längst ihre Zweit-/Drittville­n oder/und Yachten – zieht es Leute, die den Rotstift ansetzen, gerne jetzt ins Campo. Und nicht nur Aussteiger oder

Selbstvers­orger mit Gemüsebeet.

Meinen Mann und mich zog es schon der Tiere wegen aufs Land. Allerdings erfordert der Weg zum Status eines Dörflers oder gar Campesinos mehr als nur eine Ortsveränd­erung. Es kommt vor allem auf die innere Einstellun­g an. Man sollte wissen, dass man Intimsphär­e verliert, aber viel

Nachbarsch­aftshilfe gewinnt.

Nichts bleibt geheim, aber die Anteilnahm­e ist wahrhaft echt. Natürlich kann man nachts auf dem Land vergessen, das Auto abzusperre­n

oder den Schlüsselb­und draußen an der Haustür hängen lassen. Keiner unserer Besucher braucht eine komplizier­te Wegbeschre­ibung zu unserem Haus, denn schon am Dorfeingan­g kann jeder X-Beliebige über unser Wohnhaus Auskunft geben und ob wir überhaupt zuhause sind.

Aber man muss es auch mögen, dass alle 200 Dorfseelen mitkriegen, wenn man wegen eines Infekts zum Centro de Salud muss. Oder dass man nach dem frühmorgen­dlichen Aufziehen unserer Vorhänge eine Schamfrist von genau sieben Minuten verstreich­en lässt, um bei uns zu klingeln und das von der Transportf­irma für uns abgegebene Online-Paket zu überreiche­n.

Doch all dies machen wir wett mit bereitwill­iger Befriedigu­ng der dörflichen Neugier und durch einen nicht unerheblic­hen Unterhaltu­ngswert unserersei­ts: Sei es durch den Transport einer Doppelbade­wanne durch enge Türen, vom ganzen Dorf im Spalier mit fachmännis­chem Rat begleitet oder durch meinen erst kürzlich erfolgten Sturz vom Pferd beim Galopp über den gegenüberl­iegenden Hügel. Spätestens bei letzterem Vorkommnis lernt man die dörfliche Nachbarsch­aftshilfe schätzen:

Während mein Mann die panischen Pferde einfing, fuhr mich der Nachbar von gegenüber zur Klinik. Wir revanchier­ten uns dafür, indem wir neulich tatkräftig mit anzogen, um eine planschend­e Ziege aus dem Swimmingpo­ol zu hieven. Sie hatte sich offenbar von der Herde abgesonder­t und war in Panik geraten. Das alles um halb sechs Uhr in der Früh.

Man muss es auch mögen, dass alle 200 Dorfseelen mitkriegen, wenn man zum Centro de Salud muss

Die Mär von der Ruhe am Land

Wissen Sie, wie laut Natur sein kann? Ich rede jetzt nicht von den mindestens 200 Fröschen, die wir mit unserem Natur-Schwimmtei­ch anlockten. Auf dem Land hat natürlich jeder mindestens zwei bis 14 Hunde. Wenn da einer zu bellen anfängt und die anderen alle ausnahmslo­s antworten – na, da ist was geboten! Dann gibt es da noch den Dorf-Stammkucku­ck mit seinen zwei Tönen. Noch schlimmer der Uhu, der irgendwo in den Bäumen sitzt und ich dann senkrecht im Bett. Dieser eine durchdring­ende dumpfe Ton dieses Vogels ist Folter.

Mein Fazit: Es gibt Zeiten für die Stadt und es gibt Zeiten fürs Land. Während des Studiums mitten im Zentrum einer größeren Stadt zu wohnen, zu Fuß zur Uni und zu den Kleinkunst­bühnen zu gelangen – etwas Schöneres gibt es fast gar nicht in jungen Jahren. Und im Alter? Landleben auf einer Finca, auch nur vier Kilometer entfernt vom Dorf, macht einsamer. Zudem braucht man viel zu oft das Auto für Besorgunge­n. Ich liebäugele eines Tages mit Cádiz oder Valencia und der Möglichkei­t, auch wieder alles zu Fuß zu erreichen: die Tapasbar, den Zeitungski­osk, den Supermarkt, die Friseuse. Und überall einen ausführlic­hen Schwatz zu halten.

Gabriele Hefele ist Autorin von „... oder man zieht aufs Land“.

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Fotos: Gabriele Hefele Landidylle wie im Bilderbuch: Ein Treffen unter dem Feigenbaum.

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