Costa del Sol Nachrichten

Parador mit Hotel-Geist

Besuch in der historisch­en Kleinstadt Sigüenza, wo die ermordete Witwe von Pedro dem Grausamen umhergehen soll

- Teddy Ralfs Sigüenza

Sigüenza ist ein geschichts­trächtiges Städtlein in der Provinz Guadalajar­a rund 90 Kilometer nordöstlic­h von Madrid, in der vor den Keltiberer­n schon in der Jung-Altsteinze­it eine Besiedelun­g entstanden war. Natürlich waren die Römer hier und auch die Mauren fehlten nicht. Dadurch ist der 4.300 Einwohner Ort von großer historisch­er Bedeutung und hat viele Sehenswürd­igkeiten.

Und eine davon ist das Castillo de Sigüenza, das sehr gut restaurier­t und so kompakt ist, dass es schon von weitem zu sehen ist. Und dieses prächtige Objekt war unser Ziel, denn in ihm ist ein Parador-Hotel integriert. Ich liebe Paradores in alten Gemäuern! Und ich wurde nicht enttäuscht. Ein schlossart­iges Ambiente empfing uns mit großzügige­n mittelalte­rlichen Räumen, die im traditione­ll kastilisch­en Stil eingericht­et sind. Man sah dem Bau nicht mehr an, dass er durch etliche Kämpfe und Kriege im Laufe der Jahrhunder­te beschädigt und im Bürgerkrie­g von 1936 bis 1939 bis auf ein paar Türme und Teile der Mauern ganz zerstört wurde.

Glückliche­rweise wurde die Ruine zum Nationalde­nkmal erklärt und in den Jahren 1972 bis 1978 neu aufgebaut, sodass der heutige Komplex dem ursprüngli­chen Schlossbau sehr nahekommt. Der war über die Jahrhunder­te Wohnsitz für Bischöfe und Könige. Der Parador wurde 1978 nach Fertigstel­lung durch König Juan Carlos und Königin Sofia eingeweiht. Allerdings soll im Parador immer noch ein Gespenst hausen, jedenfalls der Legende nach.

Wie viele Festungen in Spanien hat auch die in Sigüenza eine Legende,

die von einer unglücklic­hen jungen Frau namens Doña Blanca de Borbón erzählt, die mit König Pedro I. dem Grausamen verheirate­t wurde. Vier Tage nach der Hochzeit in Valladolid verstößt Pedro sie und brennt mit seiner Geliebten durch. Um sie weiter unter Kontrolle zu halten, ließ er sie vier Jahre in dem Castillo de Sigüenza einsperren. Wohl auch, weil er verhindern wollte, dass sie die Adligen unterstütz­te, die ihn vom Thron stürzen wollten.

Danach befahl er eine Überführun­g nach Jerez und etwas später nach Medina Sidonia, wo sie unter rätselhaft­en Umständen in noch jungen Jahren verstarb. Man vermutete durch Gift oder einen Herzschuss mit der Armbrust. Aber wahrschein­licher ist, dass König

Pedro sie durch seine Henker mit einem Schlag auf den Kopf töten ließ. Die Legende sagt, dass ihr Geist in das Castillo de Sigüenza zurückkehr­te, wo man sie angeblich noch immer weinen und mit ihren Ketten durch die Gänge schleifen hört.

Von einigen heutigen Gästen wird mit voller Überzeugun­g behauptet, sie hätten die Geräusche vernommen. Während meines Aufenthalt­es hörte ich leider nichts, was ich sehr schade finde. Im Restaurant des Paradors ist ein Salon nach ihr benannt. Hier gibt es einen kleinen Raum, der als ihre Zelle mit Ihrem renovierte­n Schreibtis­ch und Stuhl hergericht­et ist. Wenn man ihn ansehen möchte, muss man Hotelgast sein.

Hier erst einmal etwas zur Geschichte von dem Castillo und Sigüenza. Ab dem 6. Jahrhunder­t vor Christus bauten die Keltiberer im Gebiet von Sigüenza eine Art Festung auf einem Hügel oberhalb des Río Henares. Daran bauten sie bergab laufend eine Siedlung, die im 2. Jahrhunder­t vor Christus von den Römern erobert wurde. Da der Ort strategisc­h günstig lag, bauten sie ihn zu einem Handelspos­ten aus und nannten ihn Segontia. Sie bauten Straßen und erweiterte­n den Ort zur Stadt.

In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunder­ts lösten die Westgoten die Römer in Sigüenza ab und gründeten die erste Diözese mit einem Bischofssi­tz. Aber die Mauren ließen nicht lange auf sich warten. Im Jahre 711 löste sich das Westgotisc­he Reich auf und 713 hatten es die Mauren bis Sigüenza geschafft. Sie bauten den Ort und die Festung zu einer Verteidigu­ngsanlage aus mit einer späteren Garnison. Der Río Henares wurde von ihnen überbrückt und sie erbauten eine Moschee. Es gab bis zum Jahr 1124 viele Angriffe zur Eroberung des Ortes, die aber erfolgreic­h zurückgesc­hlagen wurden.

Doch im Jahr 1124 gelang es dem kriegerisc­hen Mönch Don Bernado de Agén, die Stadt zu bezwingen und die Mauren zu ver

Der Legende nach kehrte ihr Geist in das Castillo von Sigüenza zurück

treiben. Er wurde der erste Bischof von Sigüenza nach der Rückerober­ung und veranlasst­e den Baubeginn der Kathedrale. Sigüenza gehörte jetzt dem Königreich Kastilien-León an und wurde aufgrund ihrer strategisc­hen Lage Grenzund Verteidigu­ngsstadt gegen die Mauren.

Im Laufe des Mittelalte­rs kam Sigüenza zu beträchtli­chem Reichtum unter anderem durch Salzgewinn­ung aus den vor der Stadt liegenden Salinen. Die Stadt war inzwischen von einer Stadtmauer umgeben und die Tore waren nachts geschlosse­n. Jeder der morgens hineinwoll­te, musste eine Portazgo (Maut) an die Stadt zahlen. Reger Handel mit alltäglich­en Lebensmitt­eln wie Brot, Gemüse, Fisch, Fleisch und natürlich Wein fand damals auf der heutigen Plaza Mayor statt. Einige der Gelder flossen auch in den Weiterbau der Kathedrale.

Blütezeit unter Mendozas

Ein großer Gönner und eine der wichtigste­n Personen der Stadt war El Gran Cardinal de España, Don Pedro González de Mendoza, Bischof von Sigüenza, geboren und gestorben in Guadalajar­a (1428 – 1492). Er kam aus dem reichen Haus der königsloya­len Mendozas, war unter König Heinrich IV. Kanzler von Kastilien-León und war ab dem Jahr 1467 bis zu seinem Tod Bischof von Sigüenza. In diesen Jahren erlebte Sigüenza seine Blütezeit. Es entstanden viele der renaissanc­e- und barockgepr­ägten Häuser, die heute noch zu bewundern sind.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts baute Bischof Juan Díaz de la Guerra die Festung um in einen Bischofspa­last. Er baute Balkone an, erweiterte die Fenster und stattete das Innere prächtiger aus. Leider wurde der Palast Anfang des 19. Jahrhunder­ts während des Spanischen Unabhängig­keitskrieg­es von den Franzosen eingenomme­n, geplündert und beschädigt.

Der Bau der Catedral de Santa Maria (Marienkath­edrale) begann,

wie oben schon erwähnt, im Jahre 1124 von Bischof von Agen. Es ist eine romanische Kirche, die auf den Mauerreste­n der früheren maurischen Moschee erbaut wurde. Da der Bau zwar im romanische­n Stil begonnen, aber erst im 15. Jahrhunder­t vollendet wurde, kamen gotische und barocke Elemente hinzu und später Renaissanc­e-Anbauten.

Das Interessan­teste in der Kirche ist sicher das Grabmal des

Doncel de Sigüenza (Jüngling von Sigüenza). Auf einem Sarkophag liegt mit aufgestütz­tem Oberkörper die Figur eines in einem Buch lesenden jungen Mannes. Es ist Don Martín Vázquez de Arce. In Kunst, Kultur und Waffen ausgebilde­t, diente er den Mendozas von Guadelahar­a. Bei einem der Einsätze in den Granada-Kriegen geriet er im Jahr 1486 in einen Hinterhalt und wurde im Alter von 26 Jahren von maurischen Schwertern getötet. Sein Vater holte ihn nach Hause und sein Bruder, der Bischof der Kanarische­n Inseln, gab den Auftrag für die aus Alabaster geschnitzt­e Figur. Auf seiner Brust ist das rote Kreuz des Santiago-Ordens zu sehen und am Fußende weint ein kleiner Knabe. Er und seine Geschichte sind in ganz Spanien bekannt und allein seinetwege­n pilgern viele Spanier dorthin.

Durch die beiden trutzigen Türme der Kathedrale ähnelt sie eher einer mittelalte­rlichen Festung als einer Kirche, was durch die barocken Portale noch verstärkt wird. Aber innen gibt es viel zu entdecken, einige Kapellen, mittelalte­rliche Altäre, ein gotisches Chorgestüh­l und eine Kunstsamml­ung mit der Verkündung des Malers El Greco.

Die Plaza Mayor ist ein rechteckig angelegter Platz, der an zwei Seiten eingerahmt ist von dem Rathaus sowie Adels- und Herrenhäus­ern vergangene­r Zeiten. An eine andere Seite grenzt die Kathedrale. Die Aufgabe eines Marktplatz­es war seit Jahrhunder­ten gegeben. Im 15. Jahrhunder­t ließ der Bischof Mendoza diesen Platz erweitern um auch Volksfeste zu veranstalt­en. An den übrigen Tagen diente er als Marktplatz. Heute gibt es hier Restaurant­s und Cafés, die ihre Tische auf dem Platz aufgebaut haben. Es ist ein Muss, sich dort niederzula­ssen um die Umgebung auf sich wirken zu lassen.

Grabmal des Doncel de Sigüenza ist Pligerziel vieler Spanier

 ?? Fotos: Teddy Ralfs ?? Sigüenza ist ein wunderschö­nes Kleinstädt­chen in der Provinz Guadalajar­a mit einem sehr attraktive­n historisch­en Stadtkern.
Fotos: Teddy Ralfs Sigüenza ist ein wunderschö­nes Kleinstädt­chen in der Provinz Guadalajar­a mit einem sehr attraktive­n historisch­en Stadtkern.
 ?? ?? Der Rathauspla­tz von Sigüenza.
Der Rathauspla­tz von Sigüenza.
 ?? ?? Sieht aus wie eine Festung, ist aber die Kathedrale von Sigüenza.
Sieht aus wie eine Festung, ist aber die Kathedrale von Sigüenza.
 ?? ?? Ein Blick in das Parador-Hotel.
Ein Blick in das Parador-Hotel.
 ?? ?? Der Innenhof des Paradors.
Der Innenhof des Paradors.

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