Alle wollen jetzt den TUR-Tarif
Nach den Kunden entdecken Erdgas-Unternehmen den regulierten Markt
Madrid – tl. Wie eine Stange Geld doch die Begehrlichkeiten weckt. Seit die Regierung bekannt gegeben hat, dass sie den staatlich regulierten Erdgastarif (TUR) mit drei Milliarden Euro subventionieren wird, flüchten Kunden zu Zehntausenden aus dem freien Markt. Plötzlich ist der TUR-Tarif interessant – nicht nur für Gaskunden. Auch die Energieunternehmen, die wenig für Eingriffe des Staates übrig haben, wollen nun beim TUR-Tarif mitmischen. Ein entsprechendes Ansinnen wurde ans Energieministerium gerichtet.
Bislang ist die Vermarktung des staatlich regulierten Tarif auf vier Unternehmen, die sogenannten CUR-Anbieter, beschränkt. Dabei handelt es sich um Tochtergesellschaften der großen Energiekonzerne Naturgy, Iberdrola, Endesa und TotalEnergies. Diesen Anbieterkreis sähe der Dachverband der Erdgasbranche (Sedigás) gerne erweitert. Bei der Hauptversammlung
stimmten alle 26 Mitglieder dafür, die Staatssekretärin für Energie, Sara Aagesen, darum zu ersuchen. Demnach sollen alle Anbieter des freien Markts den staatlich regulierten Tarif vermarkten dürfen. Also auch Unternehmen wie Shell, BP, Pavillon, Plenitude, Engie, Expo, Repsol oder Uniper.
Offenbar grassiert die Furcht, dass der freie Gasmarkt vor dem Aus stehen könnte, weil die Flucht der Kunden in den TUR-Tarif nicht zu stoppen ist. Vor der Bekanntgabe der Regierung, den regulieren Markt 2023 mit drei Milliarden Euro zu stützen, tummelten sich auf dem freien Markt 6,5 Millionen Kunden. Gas war billig, die Angebote auch. Mit der Energiekrise änderte sich alles. Inzwischen dürfte sich die Zahl der TUR-Kunden, die vormals bei 1,5 Millionen lag, spürbar erhöht haben. Mehr als 240.000 Kunden sollen schon die Seiten gewechselt haben.
Die Subventionierung des TUR-Tarifs bedeutet, dass die alle Vierteljahre erfolgende Preisanpassung im kommenden Jahr gedeckelt wird. Maximal zwischen vier und fünf Prozent darf Gas teurer werden. In dem SedigásSchreiben wird auch beklagt, dass der TUR-Tarif „einen Preis bietet, der unter Kostendeckung liegt und folglich günstiger ist als die Angebote auf dem freien Markt“. Sedigás argumentiert nun, dass ohne eine Erweiterung des Anbieterkreises es bis zu einem Jahr dauern könnte, bis alle wechselwilligen Kunden in den regulierten Tarif aufgenommen seien.
Soziale Spannungen seien programmiert. Zumal den CUR-Anbietern vorgeworfen wird, den Wechsel zu behindern. Ebenfalls ein CUR-Anbieter zu werden, das wollen die Sedigás-Mitglieder nicht auf sich nehmen. Dazu müssten sie eine für den TUR-Tarif zuständige Tochtergesellschaft gründen und ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, an dessen Ende ein Dekret der Regierung steht.
Die mit der Milliarden-Subvention hervorgerufene Situation sieht Sedigás „als Gefahr“für die Unternehmen auf dem freien Markt. Auch wenn die Subvention als zeitlich begrenzte Lösung gelte, könnte es ausreichend sein, heißt es, „um den freien Kleinhandelsmarkt vollständig zunichte zu machen“.
Ob das Anliegen der Gasbranche im Energieministerium auf offene Ohren stößt, darüber liegen noch keine Informationen vor. Möglicherweise wird dort spekuliert, dass es den Unternehmen nur darum geht, mit dem TURTarif Kunden zu halten, die man später wieder in den freien Markt locken kann.
Es grassiert die Furcht, dass der freie Gasmarkt vor dem Aus stehen könnte