Liebe Leser,
alle vier Jahre wiederholt sich das Spiel: In den Wochen vor der Kommunalwahl ist plötzlich alles sauber, die Straße, auf deren
Schlaglöcher Anwohner schon seit Jahren hinweisen, bekommt neuen Asphalt, Schulen, für die nie Geld da war, werden gestrichen. Es gibt neue Kreisverkehre, Radwege,
Spielplätze, vertrocknete Oleander-Büsche werden ersetzt und stehen plötzlich in voller
Blüte. Bei den Medien gehen plötzlich doppelt so viele Pressemitteilungen aus dem Rathaus ein wie die ganze restliche Legislaturperiode über, und alles ist toll, toller, am tollsten. Vor allem die Politiker selbst natürlich.
Am Freitag, 12. Mai, wird der Wahlkampf überhaupt erst offiziell eröffnet, aber schon seit Wochen reden die Kandidaten von sich selbst als „künftigem Bürgermeister“, der simple Lösungen für bis dato unlösbare Probleme findet, dank bester Beziehungen nach Madrid Geld bis zum Abwinken für seine Gemeinde beschaffen wird – kurzum: Der jeweilige Ort wird zum Paradies auf Erden, jeder hat Arbeit, der Müll wird drei Mal täglich abgeholt, es gibt keine Schulabbrecher mehr, die Urbanisationen sind sicher und in perfektem Zustand, Sportanlagen und Schulen in Schuss, Tiere werden im noch zu bauenden Tierheim binnen maximal drei Tagen vermittelt. Klingt traumhaft gut, oder?
Klingt vor allem nach heißer Luft und dem leider oftmals erfolgreichen Versuch, die Wähler – und uns als Presse – für dumm zu verkaufen, sie mit ein paar Versprechungen und ein paar geschickt investierten Euro kurz vor der Wahl bei Laune zu halten. Am 28. Mai können auch viele Ausländer ihre Stimme abgeben – die wenigsten tun das erfahrungsgemäß. Die Beschwerden über schlechte Straßen, katastrophale Müllentsorgung oder fehlende Beleuchtung landen dann in den folgenden Jahren bei uns als Zeitung. Natürlich ist es unsere Arbeit, Missstände öffentlich zu machen. Ihre Aufgabe ist es aber, ein Kreuz zu machen. Und dabei die heiße Luft aus den letzten Wochen vor der Wahl von kalten Duschen aus den letzten vier Jahren zu unterscheiden.