Die kommende Revolution
Nur wenige Unternehmen in Spanien begreifen Senioren als Wachstumsmarkt
Madrid – tl. Schon mal TVWerbung für teure Autos mit älteren Darstellern gesehen? Wohl kaum. In diesen Werbespots tummeln sich jüngere Menschen. Eine Altersgruppe, die sich diese Autos wohl nur selten leisten kann. Ältere dagegen können das schon eher. Im Grunde genommen geht diese Werbung also an der Zielgruppe vorbei. So ist es in vielen Bereichen der Wirtschaft. Senioren werden nur selten als relevanter Marktfaktor erkannt. Das ist in Spanien nicht anders als in anderen Ländern. Eine Studie, die unlängst in Madrid vorgestellt wurde, hat sich jetzt mit dem Manko beschäftigt. Offenbar gerät etwas in Bewegung.
In Spanien leben derzeit 16 Millionen Frauen und Männer, die älter als 55 Jahre sind. Das sind 33 Prozent der Bevölkerung. In 20 Jahren werden es 44 Prozent sein. Ein Markt also, der nicht aufhört zu wachsen. „Das ist doch der Traum jedes Unternehmens, aber es handelt sich um einen unterentwickelten und unreifen Markt“, sagte Iñaki Ortega, beratendes Ratsmitglied des Forschungszentrums „Ageingnomics“der Mapfre-Stiftung, der andere Studie „Unternehmensmonitor der Seniorenwirtschaft“mitgewirkt hat.
Kaum Service für Senioren
Die Studie stützt sich auf rund 200 ausgewählte und zum Teil börsennotierte Unternehmen. Demnach verfügen 46 der befragten Firmen über eine unternehmerische Strategie und Vorschläge für die Bevölkerungsgruppe der Senioren. 61 Prozent der großen Unternehmen mit einem hohem Bekanntheitsgrad wiederum bieten speziell auf diese Altersgruppe zugeschnittene Produkte oder spezielle Dienstleistungen an. Dennoch sind die meisten Unternehmen auf diesem Markt noch gar nicht vertreten. Die Umfrage erfolgte unter großen Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten. „Spanien ist aber ein Land von kleinen und mittleren Betrieben“, sagte Ortega gegenüber der Wirtschaftszeitung „CincoDías“. Doch diese Betriebe hätten keinen Service für Senioren. „Das ist es, wo man ansetzen muss“, meinte er.
Auch wenn der Markt für Senioren sich erst noch entwickeln muss, gibt es für Ortega doch auch „gute Nachrichten“. So scheint sich in den vergangenen zwei Jahren schon etwas bewegt zu haben. Im Vergleich zur damaligen Studie würden Senioren jetzt nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verantwortung gesehen, „sondern klar unter einem Geschäftsinteresse“. Vor zwei Jahren habe sich der Markt auf die Bereiche Pflege, Gesundheit und Pharma beschränkt. „Heute geht es sehr stark um Freizeit und Konsum“, sagte Ortega.
Eine der Schlussfolgerungen der Studie bestehe darin, dass die befragten Unternehmen an das Wachstumspotential von Senioren für die Wirtschaft glauben. Und dass Senioren den eigenen Umsatz steigern könnten. 36 Prozent der Unternehmen gaben an, in den kommenden Jahren spezifische Aktivitäten für Menschen ab 55 Jahren zu entwickeln. Laut Ortega ist es vorbei mit der Voreingenommenheit, „dass Senioren nicht konsumieren, während sie in Wirklichkeit 25 Prozent der Wirtschaftskraft Spaniens ausmachen“.
„Es gibt Unternehmen, die bereits untersuchen lassen, welche Produkte sich Senioren wünschen oder in den kommenden Jahren wünschen könnten, um dafür bereit zu sein“, äußerte Gerardo Iracheta, Präsident des Meinungsforschungsinstituts Sigma Dos, das an der Studie mitwirkte.
Allerdings sei dieser Trend noch nicht sehr ausgeprägt. „Die Unternehmen glauben zwar, dass sie mit dem Seniorenmarkt wachsen werden, machen aber wenig Vorausschauendes dafür“, sagte Iracheta. Sie glaubten zwar, dass die Nachfrage von Senioren steigen werde, hätten aber nichts unternommen, um deren Bedürfnisse zu kennen.
Um festzustellen, wo die Bedürfnisse von Senioren liegen, „müssen die Unternehmen bei sich selbst schauen und ältere Mitarbeiter in der Belegschaft haben“, sagte Mapfre-Präsident Antonio Huertas bei der Vorstellung der Studie. „Wer sonst wüsste besser Bescheid, als Leute im gleichen Alter?“Wichtig sei daher, eine Belegschaft zu haben, die nicht nur nach Geschlecht ausgeglichen sei, sondern auch nach Alter. Die Studie macht auch Schluss mit dem Vorurteil, dass Frauen und Männer im Alter zwischen 55 und 64 Jahren nicht mit moderner Technologie klarkommen.
Auch dass Unterhaltung und Werbung etwas für junge Leute und nicht für Ältere seien, hält die Studie für falsch. Senioren würden sehr wohl die Inhalte aller Arten von Medien konsumieren. Im Vergleich zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung seien Senioren darin aber zu wenig sichtbar und würden vernachlässigt. Dabei ist für MapfrePräsident Huertas klar: „Senioren sind die kommende Revolution.“Unternehmen und Verwaltungen sollten aufhören, ältere Menschen mit einer väterlichen Attitüde zu behandeln. Vielmehr seien Senioren heute „noch immer Protagonisten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens“. Unternehmen, die das verinnerlichen würden, hätten auf diesem Wachstumsmarkt Erfolg.
Senioren als Protagonisten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens