Liebe Leser,
es ist seit langem bekannt, doch das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und
Jugendlichen durch Geistliche und Laien im
Dienst der katholischen Kirche macht nach dem Bericht des spanischen Ombudsmanns wieder einmal fassungslos. Nicht nur die
Zahl der Opfer – 1,13 Prozent der heute erwachsenen Bevölkerung in Spanien, also rund 440.000 Menschen – ist erschütternd.
Es ist auch diese Skrupellosigkeit, mit der die „Diener Gottes“die Schwäche der Opfer und die Machtstrukturen der Kirche ausnutzten, und es ist diese Kaltblütigkeit, mit der die Täter von ihrer Institution über Jahrzehnte geschützt wurden und werden. Eine Institution, die sich als moralische Instanz der Gesellschaft versteht und aufspielt. Die Opfer leiden oft ihr Leben lang unter den Folgen des Missbrauchs, der ihnen zugefügt wurde, als sie „Schutzbefohlene“waren und ihr Vertrauen (oder ihre Angst) ausgenutzt wurde, während die Mehrheit der Täter ihr Leben lang ungestraft davonkommt. Je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr dreht sich einem der Magen herum.
Die Missbrauch-Skandale in der katholischen (und auch evangelischen) Kirche sind seit Jahrzehnten Thema. Genauso lange warten die Opfer auf eine Entschädigung, auf eine aufrichtige Entschuldigung. Ebenso lange gab es nur halbherzige Versuche vonseiten der Institution Kirche, alle Fälle aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Es ist dieselbe moralische Verfehlung wie bei den geraubten Kindern Spaniens, die – ebenfalls mit katholischen Geistlichen als Mittätern – zwischen den 60er und 90er Jahren ihren leiblichen Eltern direkt nach der Geburt abgenommen, vor diesen für tot erklärt und für das lukrative Geschäft der illegalen Adoptionen benutzt wurden. Diese Taten zeugen von einer Gefühlskälte und Skrupellosigkeit, die mit christlichen Werten eher wenig zu tun hat. Wie soll man da in der Kirche eine oder gar die moralische Instanz der Gesellschaft sehen?