Frankenstein in der Diplomatie
Regierung und Separatisten einigen sich auf internationalen Vermittler für Katalonien-Dialog
Genf – sk. Braucht Spanien einen internationalen Vermittler, um einen internen Konflikt zu lösen? So wie einst im Zuge der Auflösung von Terrorgruppen wie ETA und IRA in Irland? Haben das Referendum und die einseitige Unabhängigkeitserklärung in Katalonien 2017 wirklich so tiefe Gräben in die katalanische Gesellschaft gerissen oder lässt sich Ministerpräsident Pedro Sánchez, auf Gedeih und Verderb auf die Unterstützung der Separatisten angewiesen, in der Angelegenheit auf ein internationales Terrain zerren, wo die Unabhängigkeitsbewegung Spanien sehen will?
Eine verhandlungserprobte Delegation der Regierung reiste am Samstag nach Genf, um auf dem neutralen Terrain der Schweiz mit Vertretern der Partei Junts die Teile des Regierungsabkommens auszuhandeln. Man bedenke, dass Junts-Führer Carles Puigdemont bis Inkrafttreten der Amnestie als ein Justizflüchtling gilt. Auf dem Tagesplan stand also der Dialog mit Katalonien und die Zusage, einen internationalen Vermittler in den Gesprächen über den angeblichen Konflikt in Katalonien einzusetzen. Mit dem Konflikt in Katalonien meinen die Separatisten, dass die Bürger über den Verbleib Kataloniens in Spanien bestimmen möchten, etwa in Form eines Referendums, aber nicht dürfen. Denn die spanische Regierung lehnt das strikt ab und setzt stattdessen auf Dialog, womit die Regierung Sánchez bisher weit mehr erreicht hat als ihre konservative Vorgängerin.
Über die Verhandlungen selbst dringt nahezu nichts nach außen, nicht einmal, ob Carles Puigdemont überhaupt daran teilnahm. „Gut gelaufen“seien sie, meint PSOE-Unterhändler Santos Cerdán
und macht weiter ein Staatsgeheimnis daraus. Nicht nur das ganze pseudodiplomatische Getue bringt die Opposition und Konservativen auf die Palme, die am Sonntag wieder zu Tausenden in Madrid demonstrierten.
Es sind die aberwitzig anmutenden Zugeständnisse, die die Regierung an die Separatisten macht, um handlungsfähig zu sein. Umfragen zufolge halten 60 Prozent der Spanier die Amnestie für ungerecht.
Als internationaler Vermittler wird der Diplomat Francisco Galindo Vélez aus El Salvador eingesetzt. Der 68-Jährige soll als unabhängiger
Beobachter den Gesprächen zwischen den beiden separatistischen Parteien, der liberalen Junts und der linken ERC, beiwohnen und die Umsetzung der Ergebnisse überwachen. Ganz so, als würde es sich um „bilaterale“Verhandlungen zweier Staaten handeln, die sich nicht über den Weg trauen. Allerdings ist Katalonien kein Staat, sondern eine Region.
Galindo Vélez gilt als Experte für Friedensverhandlungen, war lange Zeit als hoher Kommissar des UN-Flüchtlingshilfswerks Acnur tätig und wohnte etwa den Verhandlungen für das Friedensabkommen der kolumbianischen Regierung mit den Farc-Rebellen 2016 bei. Auch das renommierte Schweizer Henri-Dunant-Zentrum für humanitären Dialog (HD) mischt mit. Dessen Ehrenpräsident
Javier Solana zählt zu den angesehensten Diplomaten überhaupt. Diese private Stiftung mit Sitz in Genf vermittelt in weltweiten, bewaffneten Konflikten. So begleitete die HD die Auflösung der baskischen Terrororganisation ETA.
Hoffentlich muss Pedro Sánchez sich eines Tages nicht den Vorwurf gefallen lassen, mit seiner Politik einen Toten wieder auferweckt und zu einem Monster gemacht zu haben. Vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten und auch dank seiner Politik spielte der Separatismus in Katalonien im Alltag keine so große Rolle mehr wie 2017 und die Jahre zuvor. Nun aber wird er künstlich neu zum Leben erweckt und auf eine Stufe mit internationalen Konflikten gestellt. Ihm könnte so eine Bedeutung zugemessen werden, die er längst nicht mehr hat.
Separatismus wird mehr Bedeutung zugemessen, als er derzeit hat