Costa del Sol Nachrichten

Verflixte 183 Tage

Steuern in Spanien oder Deutschlan­d zahlen? Fachmann Dr. Rainer Fuchs zur wichtigen 183-Tage-Regel

- Dr. Rainer Fuchs

Der Wohnsitz ist eine Schlüsself­rage für alle Residenten, die längere Zeit in Spanien leben. Sie spielt für viele wichtige Fragen eine Rolle, ob es um das anzuwenden­de Erbrecht, den Arztbesuch, den Führersche­in, das Arbeiten im Homeoffice geht – oder um die lieben Steuern. Und mit der spanischen Steuerbehö­rde ist nicht zu spaßen! Das muss auch die bekannte kolumbiani­sche Sängerin Shakira leidvoll und äußerst kostspieli­g erfahren.

Nun ist leider die Feststellu­ng, wo denn der steuerlich­e Wohnsitz im Sinne der Gesetze und Regelungen beider Staaten liegt, alles andere als einfach. Denn es kommt nicht auf die Formalien an, also wo Sie wann gemeldet sind. Entscheide­nd ist vielmehr, wo Sie im Sinne des Steuerrech­ts „ansässig“sind das ist vereinfach­t gesprochen Ihr

Lebensmitt­elpunkt. Aber wo ist der eigentlich? Ist er für mich als Deutscher nicht immer Deutschlan­d? Oder schon dann Spanien, wenn ich dort gemeldet und registrier­t bin?

Viele Residenten verschließ­en angesichts dieser schon begrifflic­hen Unsicherhe­iten einfach die Augen und tun nichts – bis das spanische Finanzamt sie mit einer Nachforder­ung für die vergangene­n vier bis fünf Jahre unliebsam weckt. Das Beispiel der armen, reichen Shakira kann uns als Anschauung­smaterial und Warnung dienen für die, die sich warnen lassen.

Nach vier Jahren harter, aber vergeblich­er Verhandlun­gen ihrer Anwälte mit den spanischen Steuerbehö­rden wurde die 46jährige Künstlerin wegen Steuerhint­erziehung in Barcelona angeklagt. Acht Jahre und zwei Monate Haft und eine Geldstrafe von 23,5 Millionen Euro forderte die spanische Staatsanwa­ltschaft. Bis zuletzt hatte sie sich für unschuldig erklärt. Dann jedoch, am Tag des Prozessbeg­inns, dem 17. November 2023, stimmte sie einer Einigung mit der Staatsanwa­ltschaft zu: Sie gestand ihre Schuld ein und akzeptiert­e eine Freiheitss­trafe von drei Jahren, die sie jedoch nicht antreten muss. Stattdesse­n wird sie 7,3 Millionen Euro zur Wiedergutm­achung des Schadens überweisen. Hinzukommt eine Zahlung von 432.000 Euro. Zuvor hatte sie bereits 17 Millionen Euro Steuern und Zinsen nachgezahl­t.

Was wurde ihr vorgeworfe­n?

Sie soll in den Jahren 2012 bis 2014 nicht wie vorgegeben im Steuerpara­dies auf den Bahamas, sondern an mindestens 183 Tagen im Jahr in Spanien gelebt haben. Damit wäre sie dort auch steuerpfli­chtig gewesen.

Sie bestreitet dies, weil sie bekannterm­aßen viel in der Welt unterwegs gewesen sei. Die Staatsanwa­ltschaft hatte allerdings fast 120 Zeugen aufgeboten, die beweisen sollten, dass sie über ihren Lebensmitt­elpunkt und ihre Ansässigke­it falsche Angaben gemacht und damit in den Jahren 2012 bis 2014 das spanische Finanzamt um fast 14,5 Millionen Euro betrogen hat. Sie sei 2011 zu ihrem Partner, dem FC-Barcelona-Spieler Gerard Piqué nach Barcelona gezogen, habe aber einen steuerlich­en Wohnsitz auf den Bahamas angegeben.

Shakira ist bei weitem nicht die Einzige, auf die der spanische Fiskus ein Auge geworfen hat. So musste der Fußballpro­fi Lionel Messi zwölf Millionen Euro Steuern nachzahlen und konnte eine Haftstrafe nur durch Zahlung einer Viertel Million abwenden. Auch Christiano Ronaldo musste 2018 18,8 Millionen Euro an Steuern nachzahlen.

Und für Shakira ist die Sache noch nicht ausgestand­en: Sie muss mit einer weiteren Anklage wegen hinterzoge­ner Einkommenu­nd Vermögenst­euer in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2018 rechnen.

Was bedeutet das für die deutschen Residenten in Spanien? – Nun werden nur die Wenigsten einen weiteren Wohnsitz im einem der Steuerpara­diese dieser Welt haben, sondern doch eher in Deutschlan­d, wo insgesamt gesehen ähnliche Steuersätz­e gelten wie in Spanien. Auch wird es nicht so schnell um mehrstelli­ge Millionenb­eträge gehen. Allerdings liegt der Spitzenste­uersatz in Spanien mit 52 Prozent deutlich höher als in der Heimat mit 46 Prozent.

Wird aufgedeckt, dass jemand in Wahrheit in Spanien steuerpfli­chtig war, so kann die Steuer der letzten vier bis fünf Jahre nachgeford­ert werden – das sind unter Umständen beträchtli­che Beträge. Außerdem drohen in Spanien besonders hohe Strafzahlu­ngen, wenn die Steuer nicht ordnungsge­mäß erklärt wird – im Fall von Shakira ein Millionenb­etrag – , ganz abgesehen von der möglichen Haftstrafe.

Wo ist der Lebensmitt­elpunkt?

Worauf kommt es an, wenn deutsche Residenten die spanische Steuerfall­e vermeiden wollen? Auf die 183-Tage-Regel! Das

deutsch-spanische Doppelbest­euerungsab­kommen sowie die nationale spanische Gesetzgebu­ng legen fest, dass es für die Steuerpfli­cht – vereinfach­t gesagt – darauf ankommt, in welchem Staat man überwiegen­d lebt oder wo der Lebensmitt­elpunkt liegt. Im Steuerrech­t wird statt vom Wohnsitz von der „Ansässigke­it“in dem einen oder anderen Staat gesprochen. Dies wird im Normalfall mit der 183-Tage-Regel festgestel­lt: Wo der Steuerpfli­chtige mehr als die Hälfte des Jahres gelebt hat, dort muss er seine Steuern zahlen.

Der brave Deutsche wird sich in diesem Fall mit dem „modelo 030“bei seinem zuständige­n Finanzamt anmelden. Außerdem wird er mit dem „modelo 720“seinen Besitz in Deutschlan­d erklären, sofern dessen Wert 50.000 Euro übersteigt.

Das alles hat nichts zu tun mit der Anmeldung bei der Gemeinde (empadronam­iento) und der nach drei Monaten Aufenthalt vorgeschri­ebenen Registrier­ung bei der Ausländerb­ehörde (registro). Beides sagt bekanntlic­h nichts aus über die „Ansässigke­it“oder den wahren Lebensmitt­elpunkt, kann aber von den Finanzbehö­rden als Indiz für eine Ansässigke­it genommen werden, das dann von Ihnen widerlegt werden muss. Auch die N.I.E., die wohl jeder besitzt, der sich etwas länger in Spanien aufhält, ist nur die spanische Steuernumm­er

für Ausländer. Sie ist Voraussetz­ung für fast jede wirtschaft­liche Betätigung, von der Eröffnung des Bankkontos bis zur Zahlung der Stromrechn­ung, sagt aber nichts über Ansässigke­it und Wohnsitz aus. Allerdings haben Sie bei der Beantragun­g der N.I.E. ein Feld angekreuzt: „residente“oder „no residente“. Da sollten Sie darauf achten, gegebenenf­alls „no residente“anzukreuze­n, sonst sind Sie sofort im Fokus der Steuerbehö­rde!

Wie wird ermittelt?

Wie wird ermittelt, ob jemand 183 Tage im Jahr in Spanien lebt oder dort seinen Lebensmitt­elpunkt hat? Sind die Finanzbehö­rden erst einmal auf einen möglichen Steuersünd­er aufmerksam geworden, sind sie in ihrer Ermittlung inzwischen sehr findig geworden. Sie untersuche­n die Strom- und Wasserrech­nungen, Bankauszüg­e und Kreditkart­enabrechnu­ngen. Deshalb sollten alle Reisen nach Deutschlan­d und zurück nach Spanien genau dokumentie­rt und Reisebeleg­e unbedingt verwahrt werden. Im Fall von Shakira hat die Staatsanwa­ltschaft die genannten fast 120 Zeugen benannt, nachdem die Ermittler intensiv in der Umgebung recherchie­rt haben: Sie befragten Nachbarn, Visagisten, Friseure, Gynäkologe­n und Tanzlehrer, um nur einige zu nennen.

Aber selbst wenn Sie danach auf über 183 Tage in Spanien

kommen, ist nicht alles verloren. Sie können Ihren Lebensmitt­elpunkt in Deutschlan­d auch dadurch nachweisen, dass Sie besonders enge Bindungen nach Deutschlan­d haben. Primär geht es um eine Berufstäti­gkeit in Deutschlan­d, zum Beispiel auch im Homeoffice. Wichtig ist aber auch der private Bereich: so können Ehepartner und Kinder im deutschen Eigenheim leben, pflegebedü­rftige Eltern zu betreuen sein, Mitgliedsc­haften in Vereinen bestehen, auch Parteiämte­r wahrzunehm­en sein, regelmäßig deutsche Ärzte aufgesucht werden. Diese Liste ist nicht vollständi­g, und sie kann zu erweitern sein, wenn die Beispiele nur die enge Beziehung zu Deutschlan­d belegen, wo der „Lebensmitt­elpunkt“gelegen sein muss.

Die berühmte (Schein-) Wohnung bei den Kindern in Deutschlan­d ist hingegen keine gute Idee. Im Ernstfall ist eine solche Briefkaste­nadresse wertlos. Hilfreich kann aber eine „Ansässigke­itsbeschei­nigung“des deutschen Finanzamte­s sein, die dem spanischen Fiskus allerdings nicht immer genügt.

Fazit: Wer eine deutsche gesetzlich­e Rente bezieht oder bei der Ausländerb­ehörde registrier­t ist, muss damit rechnen, Post vom Finanzamt zu erhalten. Spanische und deutsche Steuerbehö­rden tauschen ihre Erkenntnis­se aus.

Wenn Sie das Gefühl haben, den Lebensmitt­elpunkt in Spanien zu haben, aber vom Fiskus noch nicht angeschrie­ben wurden, stellt sich die Frage, wie Sie sich verhalten sollten. Ob die spanische Steuer unter Berücksich­tigung des Doppelbest­euerungsab­kommens für Sie nachteilig ist, kann letztlich nur ein Steuerbera­ter beurteilen. Wenn Sie weiter „unterm Schirm“bleiben wollen, denken Sie bitte daran, dass an den Lebensmitt­elpunkt weitere Rechtsfolg­en geknüpft sind, wie die Vermögen- und Erbschafts­teuer, aber auch die Frage, welches Erbrecht gilt. Letzteres kann posthum zu großen Streitigke­iten führen, weil im spanischen Erbrecht Ehepartner gegenüber den Kindern stark benachteil­igt werden.

Rechtsanwa­lt Dr. Rainer Fuchs ist viele Jahre an der Deutschen Botschaft in Madrid tätig gewesen. Er kennt die Probleme deutscher Residenten aus Erfahrung und hat ein Standardwe­rk für Deutsche in Spanien verfasst: „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne“. Der Experten-Ratgeber ist jetzt in 4. Auflage aktualisie­rt und auf über 300 Seiten erweitert erschienen. Erhältlich an den Geschäftss­tellen der CostaNachr­ichten ab Mitte Dezember, im Buchhandel und bei Amazon zum Preis von 28,90 zzgl. Versand.

 ?? Fotos: Ángel García, dpa ?? Viele Residenten leben über eine längere Zeit in Spanien. Wer jedoch die 183 Tage überschrei­tet, muss in puncto Steuern einiges beachten.
Fotos: Ángel García, dpa Viele Residenten leben über eine längere Zeit in Spanien. Wer jedoch die 183 Tage überschrei­tet, muss in puncto Steuern einiges beachten.
 ?? ?? Die 46-jährige Sängerin Shakira verlässt das Gericht.
Die 46-jährige Sängerin Shakira verlässt das Gericht.
 ?? ?? In Spanien drohen besonders hohe Strafzahlu­ngen, wenn die Steuer nicht ordnungsge­mäß erklärt wird.
In Spanien drohen besonders hohe Strafzahlu­ngen, wenn die Steuer nicht ordnungsge­mäß erklärt wird.

Newspapers in German

Newspapers from Spain