Der Dichter, der die Pinkler bekämpfte
Ein Inselkenner lässt die Vergangenheit Revue passieren (Teil 24): Wie Axel Thorer die Freundschaft zu dem Buchautoren Ernst Alexander Rauter fand
Ich habe ihn jahrelang gehasst, obwohl ich ihn nicht persönlich kannte. Ich bekämpfte ihn als Redakteur des Springer-Blattes „Welt am Sonntag”, und er mich als Kolumnist der linken Postille „Konkret”, die, wie man heute weiß, von der DDR finanziert wurde.
Aber er besaß eine beneidenswert geschliffene Sprache, war gottbegnadeter Formulierer mit lexikalischem Wortschatz. Außerdem war er Reiseleiter bei Dr. Tigges gewesen, sogar Zugbegleiter für Billigreisende zur Costa Brava, dann Rezeptionist in einem Touri-Hotel in Cala Rajada. Und eines Tages, in einer Hafenkneipe in eben diesem Ort, hockte sich einer neben mich, legte eine weiche WeißbrotRechte auf meine sehnige Linke und sagte in liebevollem Ton, der jahrelange Zuneigung verriet: „Ich grüße Dich, Du altes Kapitalistenschwein!”
Ernst Alexander Rauter! Und jetzt offenbarte sich sein wahres Leben: Steppenwolf, Weiberheld, Saufkopp, Gourmet ohne das nötige Kapital, Komikfreund, wandelndes MallorcaLexikon, feiner Kerl. Wir wurden Freunde bis zum Tod und Gott sei Dank war es einer. Ein herrlicher Freund, echt und selbstlos. Nie wollte er etwas von mir, nur immer ich von ihm: Rat und Wissen. Wir begannen Mallorca gemeinsam zu erforschen, oft Hand in Hand, was nichts Schlimmes bedeutete, er ergriff meine immer nur, wenn er von Weibern – die in Bayern zurückgelassene Ehefrau, die ständig einfliegende Geliebte, eine angeheiratete Gräfin, insulare nächtliche Liebschaften – genug hatte von Zärtlichkeiten
und Gelabere. Dann saßen wir zum Beispiel auf dem besterhaltenem Talayot an der Kreuzung von C 712 und 333-1, und diskutierten, ob es albern ist, Ramon Llull die Erfindung des Computers zuzuschreiben.
Er trank zu viel, verlotterte durch Nonchalance und fehlende Peseten. Aber sein Geist funktionierte einwandfrei. Und er war so liberal, dass er sich kaum erregte, wenn wildfremde Touristen in sein gemietetes Haus an der Küste eindrangen und ohne zu fragen, seine Toilette benützten. „Sehe ich aus wie eine Kneipe?”, fragte er mich eines Tages, und ich musste leider erwidern: „Du schon, aber Dein Haus nicht!” Da hing er eine Botschaft an den Baum, an den sich die Eindringlinge am häufigsten lehnten, um über sein Mäuerchen zu steigen. Sie zeugt von seinem noblen Charakter und als er tot war, riss ich sie vom Baum und verleibte sie meiner Sammlung ein. Sie lautete folgendermaßen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wegen der vielen Fragen an uns: Der Weg geht weiter, an der Mauer entlang – auch wenn es von hier nicht so aussieht. Sie kommen auf einem Umweg zum Leuchtturm. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Urlaub. Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie hier nicht lagern. Sie befinden sich hier auf Privatgrund. Das ist unser Zuhause, wir wohnen hier seit 25 Jahren. Dieser Anschlag wurde schon von einem von Ihnen zerrissen, aus unbegründeter Wut wahrscheinlich. In der Kürze der Zeit, die wir uns hier begegnen, werden wir uns fremd bleiben, es sei denn, Sie würden unser Gast, was auszuschließen uns leichtfertig schiene. Der Grundeigentümer
„Er trank zu viel, verlotterte durch Nonchalance und fehlende Peseten”
Wunderbar! Aber eines Tages rief mich seine Witwe an und berichtete von Alex’ Tod. Ich habe ihn nie überwunden, trauere heute noch und krame mir immer mal wieder meine Erinnerungen an ihn und eines seiner zwölf Bücher hervor. Mein Gott, konnte der Mann schreiben – beneidenswert! Kaufen Sie sich bloß schnell bei eBay sein Mallorca-Buch „Das Land hinter der Bühne”, das gibt’s schon ab drei Euro. Es ist ein Genuss ...
Der Autor ist Journalist und Publizist im Ruhestand mit Finca im Inselosten. Nach Mallorca kam er erstmals im Jahre 1958