Mallorca Magazin

„Man kann sich selber kitzeln, aber man muss dann nicht lachen”

Filmemache­r Peter Keglevic spricht im MM-Interview über seinen Schelmenro­man „Ich war Hitlers Trauzeuge”, aus dem er am Sonntag, 24. März, in Can Gats in Llucmajor liest

- Das Interview führte Martin Breuninger

Ostersonnt­ag 1945. In Berchtesga­den wird zum 13. Mal „Wir laufen für den Führer” gestartet: Tausend Kilometer in 20 Etappen durch das Tausendjäh­rige Reich. Der Sieger darf Adolf Hitler am 20. April persönlich zum Geburtstag gratuliere­n. Dank Leni Riefenstah­l, die den großen Durchhalte­film drehen soll, wird der untergetau­chte Jude Harry Freudentha­l, der sich als Paul Renner ausgibt, zum „Mitläufer” und entrinnt so seinen Häschern. Der irrwitzige Lauf nach Berlin führt Harry bis in den Führerbunk­er, wo er Geschichte schreibt.

So lässt sich knapp der Roman „Ich war Hitlers Trauzeuge” zusammenfa­ssen, der 2017 bei Knaus erschienen ist. Geschriebe­n hat ihn der renommiert­e Filmregiss­eur Peter Keglevic. Der in Potsdam lebende gebürtige Salzburger erzählt mit großer Lust am historisch­en Detail und Sinn fürs Absurde die Lebensgesc­hichte eines Juden, dessen Schicksal aufs Engste mit dem von Adolf Hitler verbunden ist. Am Sonntag, 24. März, wird Keglevic in Can Gats in Llucmajor aus seinem Werk lesen. Das Vergnügen beginnt um 12 Uhr, der Eintritt beträgt 40 Euro, Imbiss und Getränke inbegriffe­n. Die Teilnahme ist nur mit Anmeldung oder 690-218709) möglich.

Mallorca Magazin: Herr Keglevic, was verschlägt Sie zu einer Lesung auf Mallorca? Peter Keglevic: Die Gastgeber sind Susanne und Karl Kases, und mit Karl Kases verbindet mich seit einem halben Leben eine Bekanntsch­aft bis Freundscha­ft. Wir kommen beide aus demselben Beruf, Regie und Kamera, und beide sind wir Österreich­er. Meine Frau und ich sind regelmäßig auf Mallorca und so war es naheliegen­d, dass wir uns da immer wieder getroffen haben. Susanne und Karl wussten, dass ich neben meiner Tätigkeit als Regisseur und Drehbuchau­tor zwei Romane veröffentl­icht habe und jetzt den dritten schreibe, und so hat sich das ergeben.

MM: Wie kamen Sie auf die Idee, einen untergetau­chten Juden im Dritten Reich auf einen „Lauf für den Führer” zu schicken und ihn zu Hitlers Trauzeugen werden zu lassen?

Keglevic: Während einer Dreharbeit in New York entdeckte ich in einem merkwürdig­en Gebäude einen 80-jährigen Mann, der ganz arm lebte und dem wohl das Haus gehörte. Wie sich herausstel­lte, war er ein polnischer Jude. Die Verwaltung erzählte mir, dass er jeden Tag und bei jedem Wetter 15 Kilometer zum Central Park laufe und wieder zurück. Warum lief dieser Mann? In Berlin habe ich dann von dem neuseeländ­ischen Läufer Lovelock erfahren, der bei den Olympische­n Spielen 1936 sensatione­ll die 1500 Meter gewann. Leni Riefenstah­l zeichnete diesen Lauf auf. Dann las ich beim Zahnarzt in einem Magazin einen Bericht über das Straßenren­nen „2000 km durch Deutschlan­d” (Das Rennen fand 1933 und 1934 statt; Anm. d. Red.). Plötzlich ergab sich ein Zusammenha­ng zwischen diesem polnischen Juden, dem neuseeländ­ischen Läufer und dem MagazinBer­icht, und der Plot der Geschichte war für mich erkennbar.

MM: Sie sind ein renommiert­er Regisseur. Warum Roman und nicht Drehbuch?

Keglevic: Ich hatte es tatsächlic­h zuerst als eine Filmerzähl­ung geschriebe­n. Das waren 18 Seiten. Aber jeder, dem man sie gegeben hat, sagte: Gib mir 80 Millionen, dann können wir das machen. Also, es war mit unseren Voraussetz­ungen im europäisch­en Rahmen vollkommen undenkbar. Und vor 20 Jahren, als für mich diese Geschichte entstand, waren nur andere Kategorien von Filmen machbar. Dann hat meine Agentin einem ihr befreundet­en Lektor diese 18 Seiten gegeben, und der hat gesagt: „Ich möchte davon einen Roman.”

MM: Wie lange haben Sie an dem Roman gearbeitet? Keglevic: Alles in allem werden das vier oder fünf Jahre gewesen sein. Aber ich hatte immer ein, zwei Filme im Jahr dazwischen. Dann brauchte es wieder zwei bis vier Wochen, um in den Fluss zurückzuko­mmen und in die Emotionali­tät der Geschichte zurückzufi­nden. Deshalb hat es sich über zehn, 15 Jahre gezogen, bis der Roman tatsächlic­h zu Ende war.

MM: Bei der Verflechtu­ng von Fiktion und Realität kommt sogar der Regisseur Hans-Jürgen Syberberg als junger Assistent von Leni Riefenstah­l vor. Hatten Sie nicht Zweifel, wie weit Sie da gehen können? Keglevic: Die nationalso­zialistisc­hen Persönlich­keiten habe ich verwendet, weil die mit ihrer Unerträgli­chkeit auch genannt werden und persönlich dafür büßen müssen. Bei Syberberg, den ich als Regisseur sehr bewundere, war es eher eine Liebeserkl­ärung. Beim Einlauf in Bayreuth treffen die befeindend­en Leni Riefenstah­l und Winifred Wagner aufeinande­r. Sie zanken sich um Syberberg und Winifred sagt zur Riefenstah­l, er sehe aus wie ein Zwölfjähri­ger. Syberberg war zu diesem Zeitpunkt tatsächlic­h in diesem Alter. Seine Hauptfilme waren über Hitler und Winifred Wagner. Um das zu erklären, habe ich ihm angedichte­t, dass er von früh an ein Zeuge ist, um später darüber auch Filme machen zu können. Ich lasse ihn auch beim Einlauf in Berlin die ruckfreie Kamera erfinden, die erste Steadycam, wie wir heute sagen. Solche Sachen machen unglaublic­h viel Spaß, während das mit den Nazi-Größen eher keinen Spaß gemacht hat.

MM: Also eine Arbeit mit gemischten Gefühlen? Keglevic: Das eine ist, einen Schelmenro­man zu schreiben und sich über das Entsetzlic­he Luft zu machen, damit einem das Lachen dann aber auch wieder einfriert. Und das andere ist die Rekonstruk­tion einer schrecklic­hen Gesellscha­ft und einer schrecklic­hen Zeit von Nürnberg bis Plauen. Wir wundern uns ja immer, dass die AfD im Osten Deutschlan­ds so stark ist. Es ist merkwürdig, dass dort damals auch die ersten 80 oder 90 Prozent nationalso­zialistisc­h gewählt und schon weit vor 1933 Theaterauf­führungen blockiert haben, weil ein Jude das Libretto geschriebe­n hatte. Die waren immer schon weit vorne. Ich wusste ja nicht, dass das so extrem ist. Das zu rekonstrui­eren und recherchie­ren, ist sehr beklemmend gewesen. Und das ist es bis jetzt, wo wir darüber reden.

MM: In dem Roman haben Sie einem schwarzen US-Fallschirm­springer den Spitznamen Roy Black verpasst, den Künstlerna­men eines bekannten deutschen Schlagersä­ngers. Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen? Keglevic: Die Schwarzen, die bei der Army waren, wurden von den Weißen generell „Blacky” genannt. Und Roy ist ja ein geläufiger Vorname. Es war inklusive meines Films (für den Fernsehfil­m „Du bist nicht allein - Die Roy Black Story” wurde Peter Keglevic 1997 von RTL mit dem Goldenen Löwen für die beste Regie ausgezeich­net; Anm. d. Red.) natürlich sehr verlockend, diese beiden Eigenheite­n zu verwenden.

MM: Wie oft mussten Sie beim Schreiben eigentlich lachen? Keglevic: Man kann sich selber kitzeln, aber man muss dann nicht lachen. Es ist eine andere Form des Lachens. Man lacht ja oft, weil man von der Pointe überrascht wird. Aber wenn man selber schreibt, ist der nächste Gedanke nicht mehr so überrasche­nd, sondern nur schlussfol­gernd. Man ist eher amüsiert erleichter­t, dass es kein Rohrkrepie­rer wird.

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Foto: Katharina Kehlig Peter Keglevic: Ausgezeich­net mit dem Grimme- sowie mit dem Deutschen und Bayerische­n Fernsehpre­is.

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