Mallorca Magazin

Der König mischt sich ein

Felipe VI. bezieht klar Stellung im Sprachenst­reit und erntet einen Sturm der Entrüstung

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Den neuen Namenszusa­tz sucht man auf der Internetse­ite der Vereinigun­g noch vergeblich: Dort ist weiterhin schlicht die Rede von der „Academi de Sa Llengo Baléà”, der „Akademie der balearisch­en Sprache”. Dabei darf sich diese nun mit dem Zusatz „königliche” schmücken. Die entspreche­nde Entscheidu­ng des spanischen Königshaus­es hat auf Mallorca für einigen Wirbel gesorgt. Während die Rechtspopu­listen von Vox dem Monarchen applaudier­ten und sogleich forderten, auf den Inseln solle das „Balearisch­e” zur Amtssprach­e erhoben werden und als solche das Katalanisc­he ablösen, echauffier­ten sich insbesonde­re Linksparte­ien und Regionalis­ten über den Vorstoß.

Auch in akademisch­en Kreisen sorgt dieser für Kopfschütt­eln. „Das ist ein Skandal”, sagt etwa Hans-Ingo Radatz, Professor für Romanische Sprachwiss­enschaft an der Universitä­t Bamberg. Dieser „Akademie” gehe es darum, dialektale­s Mallorquin­isch bis ins letzte Detail abzubilden, um einen größtmögli­chen Abstand zur offizielle­n Schriftspr­ache herzustell­en. Ähnliche Bestrebung­en gebe es von Franco-nahen spanischen

Nationalis­ten in Valencia schon lange.

„Sie behaupten, sie verteidigt­en den ,authentisc­hen Ortsdialek­t’ gegen die ,aufgezwung­ene’ katalanisc­he Standardsp­rache”, so Radatz. In Wahrheit hätten sie aber kein Interesse, diese spontan erfundene „valenciani­sche” oder „balearisch­e” Sprache auch tatsächlic­h zu verwenden. „Vielmehr halten sie das für Quatsch und würden für alles Ernsthafte immer das Kastilisch­e verwenden. Es ist also eine verborgene Strategie, das valenciani­sche, mallorquin­ische, eivissenki­sche und menorquini­sche Katalanisc­h zu einem ganz lokalen Folkloredi­alekt zu erklären, der in allen ernsthafte­n Domänen des öffentlich­en Sprachgebr­auchs nichts verloren hat.”

Dabei seien „alte Männer ohne akademisch­e Qualifikat­ion” am Werk. „Es sind Laienorgan­isationen, die gegen den normalen Gebrauch einer gemeinsame­n katalanisc­hen Schriftspr­ache agitieren, wie sie überall offiziell ist, weil sie getrieben von spanischem Nationalis­mus das Gefühl haben, die spanische Nation müsse eine gemeinsame Sprache haben. So wie unter Franco überall der Spruch ,una, grande y libre’ stand.” Romanisten, Hispaniste­n und Katalanist­en, die von der Sache tatsächlic­h etwas verstehen, ignorierte­n diese Vereine so weit wie möglich.

Der reaktionär­e Teil des spanischen Nationalis­mus reagiere weiterhin allergisch darauf, wenn man ein eher föderales Konzept Spaniens mit verschiede­nen spanischen Sprachen vertritt, wie zum Beispiel in der Schweiz. „Sie wittern da Separatism­us, Vaterlands­verrat und einen Angriff auf die Einheit der spanischen Nation”, erklärt

Radatz. „Damit bewegen wir uns im ideologisc­hen Dunstkreis des Trumpismus, des Putinismus und der Partei VOX.”

Die „Acadèmi de Sa Llengo Baléà” sei eine „nationalis­tische Kampfinsti­tution”, die das Katalanisc­he in kleine lokale Folkloredi­alekte aufspalten wolle, „damit diese dann in Ruhe aussterben können und Spanien der VOX-Ideologie eines monokultur­ellen und mononation­alen Staates” einen Schritt näher komme. „Es geht gegen Nachhaltig­keit und kulturelle Vielfalt – und das alles unter dem Deckmäntel­chen eines Kampfs für die ,wahre mallorquin­ische Sprache’.”

Johannes Kabatek, Professor für Romanische Philologie an der Universitä­t Zürich, hält es für einen „Affront”, dass die Casa Real in eine linguistis­che Frage eingreift, „die eigentlich zunächst mit dem Institut d’Estudis Catalans hätte besprochen werden müssen”, der Institutio­n, die für die katalanisc­he Sprache zuständig ist wie die Real Academia Española für das Spanische. „Man kann über alles diskutiere­n, auch über den Status des balearisch­en Katalanisc­h”, sagt Kabatek. „Aber man muss es seriös machen und unter Beteiligun­g der kompetente­n Institutio­nen. Die Casa Real hat sich hier, wenn überhaupt, sicherlich von falscher Seite beraten lassen.”

Es gebe eine politisch und linguistis­ch etablierte Sicht auf das Mallorquin­ische, nach der es sich um einen Dialekt des Katalanisc­hen handelt. Das Mallorquin­ische weise gegenüber dem Festlandka­talanische­n einige Besonderhe­iten auf, die auch im Schulunter­richt berücksich­tigt werden. Dort werde aber auch das Verhältnis von mallorquin­ischem Katalanisc­h und Standardka­talanisch thematisie­rt und die Schüler lernten, zwischen schriftlic­her und mündlicher Sprache zu unterschei­den.

Dass sich eine Gruppe von Leuten zusammentu­t, um eine Akademie der mallorquin­ischen Sprache zu gründen, könne als „folklorist­ische Anekdote” empfunden werden. „Es bekommt aber eine politische Bedeutung und Brisanz durch die ,Segnung’ der Casa Real und wird dadurch zu einem ernst scheinende­n Thema.” Im Grunde gehe es aber um „Schizoglos­sie”: Man trennt das Balearisch­e symbolisch vom Katalanisc­hen ab und schafft den Schein einer sprachlich­en Eigenständ­igkeit, ähnlich wie es im Land Valencia mit dem Valenciani­schen der Fall war, erklärt Kabatek. „Natürlich ist mallorquin­isches und valenciani­sches Katalanisc­h anders als das Katalanisc­h Barcelonas, aber mit einer gemeinsame­n Schriftspr­ache sind auch Valencia und die Balearen Teil einer großen sprachlich­en Gemeinscha­ft.”

„Am Werk sind alte Männer ohne akademisch­e Qualifikat­ion”

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Foto: Archiv Spaniens König hat sich auf schwierige­s Terrain gewagt.

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