Da schnurrte meine alte Bekannte ...
Ein Inselkenner lässt die Vergangenheit Revue passieren (Folge 40): Wie Axel Thorer im Safaripark von Sa Coma eine gänzlich unverhoffte Begegnung hatte
Im Osten von Mallorca, in der Siedlung Sa Coma, gibt es bekanntlich direkt an der Hauptstraße einen Safaripark. ich empfinde ihn als traurige Veranstaltung mit viel zu kleinen Käfigen und ungenügender Aufsicht, was fatal ist bei der Grausamkeit spanischer Kinder gegenüber hilflosen wilden Tieren. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich von Eltern beschimpft wurde, weil ich ihre Sprösslinge daran hindern wollte, mit Stöcken gegen die Gitter zu schlagen oder Steine in die Gehege zu werfen – was die Tiere zur Raserei trieb und die Peiniger zu kreischender Heiterkeit.
Ich gehe nicht mehr hin, oder nur, um urlaubenden Bekannten einen Gefallen zu tun. Ich empfinde so wie mein Freund Rolf Hochhuth, der immer gesagt hat, er verstehe nicht, wie man einen Zoo besuchen könne, wenn man Tiere liebe. Ich würde diese Kritik erweitern auf Zirkusse und viele Safariparks.
Eines Tages schnurrte mich in Sa Coma ein Gepard an. Ein ausgewachsenes Weibchen, frisch eingetroffen, was an seinem noch glänzenden Fell zu erkennen war, und scheinbar zutraulich. Ich näherte mich der Katze in aller Vorsicht, denn bekanntlich können Geparden ihre Krallen nicht einziehen, sie stehen ständig aus den Pfoten wie Dolche. Da begann das Tier zu maunzen, schmiegte sich an die Gitterstäbe, nach links und nach rechts, nach oben und unten, streckte eine Pranke heraus und legte sich dann auf den Rücken. Aber so dicht an den Stäben, dass ich die Chance hatte, ihr den Bauch zu kraulen.
Sollte ich? Durfte ich? Ich musste! Es war offensichtlich, dass die Gepardin Vertrauen zu mir hatte. Irgendetwas an mir machte sie glücklich. Meine Frau fand in dieser Situation die einzig richtige Frage: „Kennt Ihr Euch?” Aber das war nicht möglich. Der letzte Gepard, mit dem ich engeren Kontakt hatte, lebte auf einer Jagdfarm im Norden Namibias und war so zahm, dass er meist frei herumlief, mit Halsband zwar, aber ohne Kette. Wir hatten miteinander gespielt, waren bis zur Farmgrenze gespurtet, ich hatte mich niederwerfen lassen, als sei ich Beute, und ich hatte ihn gefüttert mit toten Küken. Aber ich weiß nicht mal, ob der Gepard ein Männchen oder ein Weibchen war. Ich erinnerte mich jedoch, dass das Tier Tui gerufen wurde.
Es war albern, was ich tat, aber ich rief jetzt diesen Namen. In Sa Coma auf Mallorca, etwa 7000 Kilometer entfernt. „Tui, Tui” – und da ging ein Ruck durch das Weibchen, es sprang auf und steckte seine Nase durch die Gitterstäbe. Als habe sie endlich mal wieder ihren Namen gehört, als habe der Mann da draußen endlich begriffen, dass sie alte Bekannte waren. Ich trat an den Käfig, streckte die Hand hinein, kraulte der Gepardin den Kopf – und sie liebte das. Schnurrte laut, und meine Frau sagte: „Also kennt Ihr Euch doch? Du scheinst ja sogar den Namen zu kennen ...” Vielleicht. Aber es wäre ein Riesenzufall, wenn der Gepard von der Jagdfarm in Namibia derselbe wäre wie der im Safaripark auf Mallorca. Ich sagte Tui Tschüss und wir gingen ins Büro.
Ja, erfuhren wir, die Gepardin stamme aus Namibia, von einer Jagdfarm, der Name sei gerade nicht greifbar, sie hätten sie gekauft für einen Kunden in Norddeutschland, auch einen Safaripark, und hier in Sa Coma werde sie akklimatisiert, da das Klima auf Mallorca eine Mischung sei aus dem in Namibia und dem in Alemania. Warum ich frage, wolle ich einen Geparden kaufen?
Ich verneinte, sagte ihnen den wahren Grund nicht, wir dankten und gingen zurück zu Tui. Ich kraulte sie wieder und sprach auf sie ein, erinnerte sie an unsere gemeinsame Zeit in Namibia und versprach wiederzukommen mit ein paar toten Küken. Sie schnurrte und maunzte, packte zärtlich meinen Arm mit beiden Vorderpfoten, während ich sie hinter den Ohren und am Bauch streichelte, und am liebsten hätte ich den Käfig geöffnet und sie befreit, denn es ist schön in der Wildnis von Mallorca und es läuft genügend Viehzeug herum, das sie jagen kann, um zu überleben. Aber wenn ich daran denke, dass es etwa 30.000 Jäger auf der Insel gibt, die sogar Drosseln abschießen, bin ich ganz froh, dass ich es nicht getan habe.
Ich versprach Tui, sie bald in Norddeutschland zu besuchen. Dafür leckte sie mir mit einer Zunge, die sich anfühlte wie ein sehr grobes Reibeisen, die Hand ab. „Na, das ist ja mal eine reizende Liebesgeschichte”, sagte meine Frau.
Der Autor ist Journalist und Publizist im Ruhestand mit Finca im Inselosten. Nach Mallorca kam Thorer erstmals im Jahre 1958