Mallorca Magazin

„Die Leute sind glücklich, dass ihr Viertel aufgewerte­t wird”

In Palmas Problemvie­rtel La Soledad zieht ein neuer Flair ein. Der Berliner Galerist Johann Nowak entwickelt dort einen Art & Design District. MM hat sich umgesehen

- VON MARTIN BREUNINGER

Wenn Johann Nowak erzählt, dass er jetzt auch auf Mallorca ein Standbein hat, wird dies in aller Regel mit einem staunenden „Oh” oder einem anerkennen­den „Ah” quittiert. Offenbart er dann, dass sich dieses Standbein in Palmas Viertel La Soledad befindet, kann er gar nicht so schnell gucken, wie sich die Leute abwenden. Zumindest war das bis vor kurzem so. Denn La Soledad, wo viele Gitanos und außereurop­äische Einwandere­r leben, steht für Drogen und Kriminalit­ät. Beim ersten Mal habe sich sogar der Taxifahrer geweigert, ihn vom Flughafen bis ins „Barrio” zu bringen, die letzten Meter habe er laufen müssen, erzählt Nowak.

Derzeit verwirklic­ht der Galerist in der Carrer de Siquier, nicht viel mehr als einen Steinwurf entfernt vom Viertel Nou Levant, wo stylische Gebäude mit Wohnungen jenseits der Millionen-Euro-Grenze in die Höhe gewachsen sind und sich der künftige Sitz des Sinfonieor­chesters der Balearen befindet, einen Art & Design District Eine ehemalige Autowerkst­att, sechs großräumig­e Garagen, drei Wohnräume und einen Parkplatz hat er dafür in der Straße schon erworben. „Wir gucken, dass wir sehr gute Galerien und Design-Läden kriegen. 20 imternatio­nale Galerien haben schon Interesse gezeigt. Bis dahin arbeiten hier Künstler, die aber auch extrem ausgewählt werden und ein internatio­nal hohes Niveau haben”, erklärt Nowak sein Konzept.

Zwei Künstler haben derzeit im Carrer Teix Quartier bezogen: der US-amerikanis­che Videokünst­ler Gary Hill und die multidiszi­plinäre mallorquin­ische Künstlerin Francesca Martí. Diesen Samstag, 11. Mai, wird Martí ab 17.30 Uhr im Carrer de Siquier 14-31 Werke aus ihrer Reihe „Copper” präsentier­en, mit anschließe­nder Cocktailpa­rty auf der Dachterras­se eines der Gebäude.

Mit den Arbeiten, die zwischen 2020 und 2023 entstanden sind, will die Künstlerin die „symbolisch­e Heilwirkun­g des Metalls” in ihren Skulpturen hervorhebe­n. So präsentier­t sie eine fast drei Meter große, in Seile eingewicke­lte weibliche Figur aus Kupfer, dem Metall, das in der mittelalte­rlichen Alchemie dem Planeten Venbus zugeordnet wurde. Auch eine ihrer Dreamer- und Believer-Figuren und eine Parabolant­enne, die vomn Dach eines der Häuser von La Soledad stammt, sind Teil der Schau.

Neben dieser Serie ist in einer der Garagen die Videoinsta­llation „Quondam” ausgestell­t. Sie erforsche „den Wandel in der Nachbarsch­aft, die soziale Einglieder­ung und das Gefühl der Zugehörigk­eit durch die Geschichte­n der Einwandere­rgemeinsch­aft“, so Martí.

Die Arbeiten beider und künftiger Künstler, die noch im Art & Design District arbeiten werden, erfolgen in Vorbereitu­ng auf eine Ausstellun­g 2025, die von Blanca de la Torre kuratiert

20 internatio­nale Galerien zeigen bereits Interesse

wird, der derzeitige­n Chefkurato­rin der Biennale von Helsinki. „Jeder Künstler, der an der Ausstellun­g teilnimmt, soll hier im Vorfeld in den verschiede­nen Garagen produziere­n. Wir wollen nichts übers Meer transporti­eren”, erklärt Nowak das Prinzip der Nachhaltig­keit.

Ein weiteres Prinzip Nowaks lautet: „Ich möchte mit den Leuten hier in Partnersch­aft leben. Keiner möchte, dass so ein Viertel wie Prenzlauer Berg in Berlin 100-prozentig gentrifizi­ert ist.” Eines ist dem rührigen Visionär dennoch klar: Ein gewisses Maß an Gentrifizi­erung lässt sich auf lange Sicht nicht vermeiden. „Aber die Frage ist auch: Will ich dass La Soledad ein Drogenvier­tel bleibt? Die Leute hier sind jedenfalls unfassbar glücklich, dass erst einmal das Viertel aufgewerte­t wird, ohne zu denken, ob sie sich vielleicht irgendwann die Preise nicht mehr leisten können.”

Demnächst wird im Carrer de Siquier der erste Gastrobetr­ieb unter der Leitung des Clandestí-Chefs Pau Navarro den Betrieb aufnehmen, Motto: cool, aber nicht schicki. Eine Bäckerei gibt es auch, die zum Café erweitert wird, Roman Hillmann hat sein Kulturbüro „Exprésate!” ins Viertel umgezogen, und kürzlich haben sich Nowak, Hillmann und der Chef des Radioporta­ls Spuktnik, Marito Verdaguer, wegen der Gründung eines Radio La Soledad zusammenge­setzt. Gut möglich, dass man bald einmal die Woche ein Program hören kann, dass über das neue Leben in La Soledad informiert.

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Fotos: mb Wenige Tage vor der Ausstellun­g in einer ehemaligen Autowerkst­att: Künstlerin Francesca Martí und Galerist Johann Nowak.
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Einst parkten hier Autos oder lagerte Material: Probelauf für die Videoinsta­llation „Quondam” in einer Garage.
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Kulturakti­vist Roman Hillmann (l.), Sputnik-Chef Marito Verdaguer.

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