„Die Leute sind glücklich, dass ihr Viertel aufgewertet wird”
In Palmas Problemviertel La Soledad zieht ein neuer Flair ein. Der Berliner Galerist Johann Nowak entwickelt dort einen Art & Design District. MM hat sich umgesehen
Wenn Johann Nowak erzählt, dass er jetzt auch auf Mallorca ein Standbein hat, wird dies in aller Regel mit einem staunenden „Oh” oder einem anerkennenden „Ah” quittiert. Offenbart er dann, dass sich dieses Standbein in Palmas Viertel La Soledad befindet, kann er gar nicht so schnell gucken, wie sich die Leute abwenden. Zumindest war das bis vor kurzem so. Denn La Soledad, wo viele Gitanos und außereuropäische Einwanderer leben, steht für Drogen und Kriminalität. Beim ersten Mal habe sich sogar der Taxifahrer geweigert, ihn vom Flughafen bis ins „Barrio” zu bringen, die letzten Meter habe er laufen müssen, erzählt Nowak.
Derzeit verwirklicht der Galerist in der Carrer de Siquier, nicht viel mehr als einen Steinwurf entfernt vom Viertel Nou Levant, wo stylische Gebäude mit Wohnungen jenseits der Millionen-Euro-Grenze in die Höhe gewachsen sind und sich der künftige Sitz des Sinfonieorchesters der Balearen befindet, einen Art & Design District Eine ehemalige Autowerkstatt, sechs großräumige Garagen, drei Wohnräume und einen Parkplatz hat er dafür in der Straße schon erworben. „Wir gucken, dass wir sehr gute Galerien und Design-Läden kriegen. 20 imternationale Galerien haben schon Interesse gezeigt. Bis dahin arbeiten hier Künstler, die aber auch extrem ausgewählt werden und ein international hohes Niveau haben”, erklärt Nowak sein Konzept.
Zwei Künstler haben derzeit im Carrer Teix Quartier bezogen: der US-amerikanische Videokünstler Gary Hill und die multidisziplinäre mallorquinische Künstlerin Francesca Martí. Diesen Samstag, 11. Mai, wird Martí ab 17.30 Uhr im Carrer de Siquier 14-31 Werke aus ihrer Reihe „Copper” präsentieren, mit anschließender Cocktailparty auf der Dachterrasse eines der Gebäude.
Mit den Arbeiten, die zwischen 2020 und 2023 entstanden sind, will die Künstlerin die „symbolische Heilwirkung des Metalls” in ihren Skulpturen hervorheben. So präsentiert sie eine fast drei Meter große, in Seile eingewickelte weibliche Figur aus Kupfer, dem Metall, das in der mittelalterlichen Alchemie dem Planeten Venbus zugeordnet wurde. Auch eine ihrer Dreamer- und Believer-Figuren und eine Parabolantenne, die vomn Dach eines der Häuser von La Soledad stammt, sind Teil der Schau.
Neben dieser Serie ist in einer der Garagen die Videoinstallation „Quondam” ausgestellt. Sie erforsche „den Wandel in der Nachbarschaft, die soziale Eingliederung und das Gefühl der Zugehörigkeit durch die Geschichten der Einwanderergemeinschaft“, so Martí.
Die Arbeiten beider und künftiger Künstler, die noch im Art & Design District arbeiten werden, erfolgen in Vorbereitung auf eine Ausstellung 2025, die von Blanca de la Torre kuratiert
20 internationale Galerien zeigen bereits Interesse
wird, der derzeitigen Chefkuratorin der Biennale von Helsinki. „Jeder Künstler, der an der Ausstellung teilnimmt, soll hier im Vorfeld in den verschiedenen Garagen produzieren. Wir wollen nichts übers Meer transportieren”, erklärt Nowak das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Ein weiteres Prinzip Nowaks lautet: „Ich möchte mit den Leuten hier in Partnerschaft leben. Keiner möchte, dass so ein Viertel wie Prenzlauer Berg in Berlin 100-prozentig gentrifiziert ist.” Eines ist dem rührigen Visionär dennoch klar: Ein gewisses Maß an Gentrifizierung lässt sich auf lange Sicht nicht vermeiden. „Aber die Frage ist auch: Will ich dass La Soledad ein Drogenviertel bleibt? Die Leute hier sind jedenfalls unfassbar glücklich, dass erst einmal das Viertel aufgewertet wird, ohne zu denken, ob sie sich vielleicht irgendwann die Preise nicht mehr leisten können.”
Demnächst wird im Carrer de Siquier der erste Gastrobetrieb unter der Leitung des Clandestí-Chefs Pau Navarro den Betrieb aufnehmen, Motto: cool, aber nicht schicki. Eine Bäckerei gibt es auch, die zum Café erweitert wird, Roman Hillmann hat sein Kulturbüro „Exprésate!” ins Viertel umgezogen, und kürzlich haben sich Nowak, Hillmann und der Chef des Radioportals Spuktnik, Marito Verdaguer, wegen der Gründung eines Radio La Soledad zusammengesetzt. Gut möglich, dass man bald einmal die Woche ein Program hören kann, dass über das neue Leben in La Soledad informiert.