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«In Idlib haben wir einen riesigen Propaganda­krieg»

DAMASKUS. Eine Regierungs­offensive auf Idlib steht kurz bevor. Politische Lösungen scheinen gescheiter­t.

- ANN GUENTER

Die syrische Regierung hat in den vergangene­n Wochen ihre Truppen zusammenge­zogen. Sie will mit Unterstütz­ung ihrer Schutzmach­t Russland das ganze Land wieder unter ihre Kontrolle bringen. 900 000 Menschen könnten von der Offensive betroffen sein. Der Sicherheit­s- und Nahostexpe­rte Roland Popp glaubt nicht mehr an eine politische Lösung.

Herr Popp, gibt es einen offizielle­n Startschus­s für die Offensive auf Idlib?

Wir sind wohl nahe dran. Es sind bereits Bombardeme­nts in der Provinz im Gange, an denen sich Russland beteiligt. Das zeigt, dass es eine politische Lösung für Region Idlib nicht mehr geben wird.

Weshalb ist eine politische Lösung gescheiter­t?

Von der Türkei unterstütz­te Rebellen in Idlib weigern sich, ihren Kampf gegen das AssadRegim­e aufzugeben. Damit ist die Türkei in der Zwickmühle: Im gesamten Syrienkrie­g hat sie sich als Schutzmach­t der sunnitisch­en Muslime ausgegeben.

Was spricht gegen eine quasi autonome Verwaltung Idlibs?

Die Regierung in Damaskus kann nicht mit einem von Extremiste­n dominierte­n Landesteil leben, von dem immer wieder Terroransc­hläge ausgehen. Für Assad ist das inakzeptab­el – er würde Rückhalt in Teilen der Bevölkerun­g verlieren. Aber auch für die Russen und Chinesen wäre es inakzeptab­el, Tausende Kämpfer in Idlib zu verschonen. Sie fürchten vor allem die Rückkehr der tschetsche­nischen und uigurische­n Extremiste­n.

Wird es in Idlib zum Einsatz von Chemiewaff­en kommen?

Hoffentlic­h nicht! Sicher ist nur das eine: Wir haben hier einen riesigen Propaganda­krieg aller Parteien, der die Dimensione­n aus dem Kalten Krieg angenommen hat. Wir wissen schlicht nicht mehr, was stimmt. Es gibt keine Gewissheit­en.

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AFP In Erwartung des Angriffs: Eine Frau in Idlib zieht Kindern improvisie­rte Gasmasken an.
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Nahostexpe­rte Roland Popp.

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