20 Minuten - Deutschschweiz uberregional
«In Idlib haben wir einen riesigen Propagandakrieg»
DAMASKUS. Eine Regierungsoffensive auf Idlib steht kurz bevor. Politische Lösungen scheinen gescheitert.
Die syrische Regierung hat in den vergangenen Wochen ihre Truppen zusammengezogen. Sie will mit Unterstützung ihrer Schutzmacht Russland das ganze Land wieder unter ihre Kontrolle bringen. 900 000 Menschen könnten von der Offensive betroffen sein. Der Sicherheits- und Nahostexperte Roland Popp glaubt nicht mehr an eine politische Lösung.
Herr Popp, gibt es einen offiziellen Startschuss für die Offensive auf Idlib?
Wir sind wohl nahe dran. Es sind bereits Bombardements in der Provinz im Gange, an denen sich Russland beteiligt. Das zeigt, dass es eine politische Lösung für Region Idlib nicht mehr geben wird.
Weshalb ist eine politische Lösung gescheitert?
Von der Türkei unterstützte Rebellen in Idlib weigern sich, ihren Kampf gegen das AssadRegime aufzugeben. Damit ist die Türkei in der Zwickmühle: Im gesamten Syrienkrieg hat sie sich als Schutzmacht der sunnitischen Muslime ausgegeben.
Was spricht gegen eine quasi autonome Verwaltung Idlibs?
Die Regierung in Damaskus kann nicht mit einem von Extremisten dominierten Landesteil leben, von dem immer wieder Terroranschläge ausgehen. Für Assad ist das inakzeptabel – er würde Rückhalt in Teilen der Bevölkerung verlieren. Aber auch für die Russen und Chinesen wäre es inakzeptabel, Tausende Kämpfer in Idlib zu verschonen. Sie fürchten vor allem die Rückkehr der tschetschenischen und uigurischen Extremisten.
Wird es in Idlib zum Einsatz von Chemiewaffen kommen?
Hoffentlich nicht! Sicher ist nur das eine: Wir haben hier einen riesigen Propagandakrieg aller Parteien, der die Dimensionen aus dem Kalten Krieg angenommen hat. Wir wissen schlicht nicht mehr, was stimmt. Es gibt keine Gewissheiten.