Dürfte man Carlos mit Medikamenten ruhigstellen?
Herr Noll*, welche Sanktionen gibt es bei renitenten Häftlingen?
Die tiefste Sanktion ist ein Verweis. Eine nächste Stufe ist etwa ein Fernseh-Entzug oder ein Zelleneinschluss für eine Woche. Die schärfste Disziplinarsanktion ist der Arrest. Eine Reihenfolge ist nicht vorgeschrieben. Wer etwas Schlimmes begeht – etwa eine Drohung oder eine Tätlichkeit – kann sofort Arrest erhalten.
Was tut man, wenn ein Häftling alles verwüstet und das Personal bedroht?
Es gibt tatsächlich Häftlinge, die das Sys- tem ausreizen. Man tut, was man kann. In der Regel bekommt so ein Häftling nur noch Essen, für das er kein Geschirr und kein Besteck braucht – also Sandwiches.
Darf man Medikamente einsetzen, um so einen Häftling ruhigzustellen?
Ich bin nicht sicher, ob man das im Gefängnis darf, aber man macht es nicht. Eine Zwangsmedikation ist eine Körperverletzung, für die es ausgebildete Spezialisten braucht. Das macht man in der Psychiatrie.
Welche Häftlinge bringt man denn in die Psychiatrie?
Meist sind das akut psychotische Personen, die in ihrem Wahn andere angreifen oder sich selbst gefährden. So ein Fall muss vorliegen, damit es legal ist. Mit den richtigen Medikamenten kann man solche Personen wieder stabilisieren. Carlos sieht aus der Ferne aber nicht psychotisch aus.
*Thomas Noll ist Direktor des Schweizerischen Ausbildungszentrums für Strafvollzugspersonal.