Quarantäne-Zug: Für Experte Überreaktion
LYSS. Warum wurde am Dienstagabend ein Zug der SBB unter Quarantäne gestellt? Die Antwort überrascht Experten.
Die Regiobahn RE3375 von Bern nach Biel blieb um 20 Uhr am Bahnhof Lyss plötzlich stehen: «Wegen eines medizinischen Notfalls, hiess es über Lautsprecher», erinnert sich R. S.*, die im Zug sass: «Wir durften den Zug nicht verlassen.» Im Zug habe sie dann vernommen, dass ein Passagier Tuberkulose habe. Polizisten und Mediziner trafen auf dem Perron ein. Nach fast 30 Minuten durften die Passagiere den Wagen verlassen, mussten vor der Weiter reise jedoch ihre Kontaktangaben hinterlassen.
Die Kapo Bern hielt sich gestern mit Informationen bedeckt. Die Rede war lediglich von «Verdacht auf eine möglicherweise übertragbare Krankheit». Immunologe Beda Stadler ist die Aktion unerklärlich: Es gebe sehr wenige Krankheiten, die solche Massnahmen rechtfertigen würden, «etwa bei den hochansteckenden und sehr gefährlichen EbolaViren oder MilzbrandBakterien. Auch denkbar wäre eine Situation mit radioaktiven Stoffen», so der emeritierte Professor der Uni Bern.
Die Aufklärung des Falls liefert erst das Berner Kantonsarztteam. Dort ist der Fall bestens bekannt: «Es stand ein Verdacht auf Tuberkulose zur Diskussion, der sich nicht bestätigt hat», so Kantonsärztin Linda Nartey. Immunologe Stadler hat dafür kein Verständnis: «Hier wurde massiv überreagiert – mehrmals. Tuberkulose rechtfertigt eine solche Aktion auf keinen Fall.» Dass nicht besser informiert wurde, hätte die Bevölkerung schrecken können.