«Man kann das Coronavirus von der Parkbank auflesen»
ZÜRICH. Während Bund und Kantone gegen das Virus kämpfen, geniessen viele das Wetter. Für einen Experten ist das unverständlich.
Seit Sonntag scheint die Sonne, und es herrschen frühlingshafte Temperaturen. Trotz der immer drastischeren Massnahmen von Bund und Kantonen haben in den letzten Tagen viele Menschen das schöne Wetter draussen genossen. Bilder in den sozialen Medien zeigen volle Wiesen und Seepromenaden. Für den Tessiner Arzt und Infektiologen Andreas Cerny ist das unverständlich: «Je weiter sich das Virus verbreitet, desto grösser ist die Gefahr, sich selber anzustecken, wenn man nicht zu Hause bleibt», sagt Cerny.
Anstecken könne man sich nicht nur im überfüllten Zug oder wenn jemand einem ins Gesicht hustet: «Wir wissen, dass das Virus auf Oberflächen infektiös bleiben kann», sagt Cerny. Auf Plastik habe man es nach mehr als einem Tag noch nachweisen können. «Jeder kann es sich also auch von einer Parkbank oder einem Treppengeländer auflesen.»
Im Tessin wurden bereits letzte Woche einschneidende Massnahmen ergriffen: Bars und Restaurants mussten abends zumachen, auch Fitnesscenter, Kinos und weitere Einrichtungen wurden geschlossen. «Die Tessiner haben das akzeptiert, es gibt kaum jemanden, der sich über die Eingriffe ins öffentliche Leben nervt», sagt der Infektiologe. Geholfen hätten Bilder aus Italien: «Im TV sehen wir kriegsähnliche Zustände – und das keine 30 Kilometer von hier entfernt.» Er verstehe nicht, weshalb die Schweiz so lange zuwarte. «Solange die Menschen dürfen, werden sie bei diesem Wetter nach draussen gehen», sagt Cerny. «An die Eigenverantwortung zu appellieren, reicht hier einfach nicht aus.»