Droht dem Kanton Waadt ein zweiter Lockdown?
LAUSANNE. Epidemiologen und Virologen finden es bedenklich, wie die Waadt die Corona-krise angeht.
Die Waadt ist ein Corona-hotspot: Gestern meldete sie 168 Neuinfektionen – die Inzidenz liegt bei 168 Fällen pro 100 000 Einwohner in den letzten zwei Wochen. Umso erstaunlicher ist, dass der Kanton jüngst sein Testregime angepasst hat: Personen mit weniger häufigen Symptomen wie Muskel- und Kopfschmerzen oder genereller Müdigkeit und Schnupfen werden nicht mehr getestet. Ärzte können Tests aber weiterhin anordnen. Eine Begründung liefert der Kanton nicht. Auf der Website heisst es nur: «Weniger typische Symptome machen einen Test nur nötig, wenn Kontakt mit einem positiv bestätigten Fall bestanden hat.»
Bei Experten sorgt dies für Unverständnis. Epidemiologe Marcel Salathé: «Ohne Tests bricht die Test-trace-quarantine-isolation-strategie zusammen, man riskiert, rasch die
Kontrolle zu verlieren.» Und die Genfer Virologin Isabella Eckerle findet das «sehr bedenklich»: «Hat der Kanton bereits aufgegeben angesichts der zweiten Welle und lässt sie nun laufen?» Sie befürchtet gar, dass sich der Kanton in einen zweiten Lockdown hineinmanövriert.
Auf Anfrage betont der Kanton, man verfolge weiter die Strategie der Eindämmung. «Das Ziel der Teststrategie ist, gezielter zu testen, um mehr positive Fälle zu finden. Über 90 Prozent der Personen, die sich infiziert haben, entwickeln typische Symptome.» Gestern wurde eine weitere Massnahme ergriffen: Restaurants und Bars müssen die Kundendaten künftig digital festhalten, das Schriftliche ist nur noch in Ausnahmefällen (kein Smartphone oder kein Mobilfunknetz) gestattet.
«Es würde mich nicht wundern, wenn wir den Punkt erreichen, an dem wir über einen zweiten Lockdown vor Weihnachten diskutieren.» Virologin Isabella Eckerle