1,5-Meter-regel vom BAG in der Kritik
BERN. Forscher machen Druck auf das BAG, Corona-ansteckungen durch Aerosole in die Strategie einzubeziehen.
KONTROVERS Ansteckungen über kleinste Tröpfchen, sogenannte Aerosole, sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwar möglich, sie spielten aber eine untergeordnete Rolle. Zusammen mit Hunderten Wissenschaftlern weltweit fordern nun zahlreiche Schweizer Forscher die WHO und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf, über die Bücher zu gehen. Sie sind sich sicher: Die Gesundheitsbehörden unterschätzen die Gefahr durch Aerosole. Diese schwebten in schlecht gelüfteten Innenräumen ein bis zwei Stunden lang in der Luft, sodass man sich trotz Abstand anstecken könne. So schreiben zehn renommierte Professoren Aerosolen bei Superspreadingevents eine grosse Bedeutung zu.
«Wir wussten seit dem Sommer von der Übertragung durch Aerosole. Die Beweise, dass es ein bedeutender Ansteckungsweg ist, sind seither nur zahlreicher geworden», sagt etwa die Epidemiologin
Emma Hodcroft von der Uni Basel. Sie stellt die 1,5-Meter-regel infrage, da sich die Leute in falscher Sicherheit wiegten. Die Behörden liessen die Leute naiv in gefährliche Situationen rennen, indem sie ihre Empfehlungen nicht aktualisierten. Auch die Epidemiologieprofessorin Olivia Keiser von der Uni Genf ist sich sicher, dass der 1,5-Meter-abstand in Innenräumen nicht ausreichend ist: «Hier sollte das BAG über die Bücher gehen und die Aerosol-problematik endlich anerkennen.»
Beim BAG heisst es, man wisse nicht, wie viele Ansteckungen über mehr als 1,5 Meter Distanz passierten, an der Abstandsregel hält der Bund fest. Wie Stefan Kuster, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim BAG, am Dienstag sagte, geht es bei der erweiterten Maskenpflicht primär darum, die Tröpfcheninfektion in Innenräumen zu unterbinden.