«Ich verzockte eine halbe Million»
ZÜRICH. Acht Jahre spielte Lorenz M. (35) exzessiv an Online-slotmaschinen. Er erzählt, was ihn antrieb – und welche Spuren die Sucht hinterliess.
Wie zeichnete sich Ihre Spielsucht aus?
In meinem Leben drehte sich alles nur noch ums Spielen: Nach der Arbeit kam ich nach Hause, habe den Computer gestartet und gespielt – sechs bis neun Stunden täglich, fast acht Jahre lang. Es gab nur noch mich und den Laptop. Ich sparte an Ausgaben für Kleider und Nahrungsmittel, um mehr Geld fürs Zocken zu haben. Es gab dann nur noch Toastbrot und Nudeln.
Wie viel Geld ging dafür drauf?
Der ganze Lohn ging drauf, zudem habe ich einen Kredit aufgenommen. Gesamthaft habe ich rund eine halbe Million verzockt.
Wie wurde das Spielen zur Sucht?
Sie kam schleichend: Mit etwa 25 besuchte ich mehrmals das Casino mit Kollegen. Mir war das Geld eigentlich zu schade, ich spielte am Anfang mit Fünfräpplern. Irgendwann ging ich dann allein hin – alle Kollegen waren in einer Beziehung. Als meine Casino-besuche regelmässiger wurden, war mir das unangenehm – ich wich auf Online-glücksspiele aus, wo mich niemand sehen konnte. An einem Abend gewann ich dann 30000 Franken: Das war wohl der Anfang des exzessiven Spielens, ab diesem Zeitpunkt artete es völlig aus.
Was hat Sie angetrieben?
Zu Beginn gings um den Adrenalinschub. Doch irgendwann spielte der Gewinn keine Rolle mehr. Den Stress vom Tag wollte ich wegspielen, das war für mich Entspannung. So schlief ich immer weniger. Und je müder ich wurde, desto intensiver zockte ich. Richtig gut schlafen konnte ich erst, wenn alles Geld verspielt war.
Hat niemand etwas gemerkt von Ihrem Suchtverhalten?
Bei der Arbeit fehlte ich keinen einzigen Tag aufgrund der Sucht. Ich riss mich zusammen, damit niemand etwas merkt. Das ist das Gefährliche an der Sucht: Sie ist unsichtbar.
Wie konnten Sie die Sucht hinter sich lassen?
In einem Moment kam mir der Gedanke: Entweder höre ich mit dem Online-glücksspiel auf oder ich fahre in den nächsten Baum.
Hat die Spielsucht bei Ihnen Spuren hinterlassen?
Ich denke heute oft daran, was ich mit all dem Geld hätte machen können: Reisen, ein Auto kaufen, eine Auszeit nehmen – ich hätte mir so viel leisten können. Diese Gedanken schmerzen enorm.
«Irgendwann spielte der Gewinn keine Rolle mehr.» Lorenz M.