20 Minuten - Bern

Karin Keller-sutter zur Burka-initiative

BERN. Karin Keller-sutter sagt, eine liberale Gesellscha­ft müsse 20 bis 30 Nikab-trägerinne­n aushalten. Der Zwang zur Verhüllung sei bereits strafbar.

- DANIEL WALDMEIER

Frau Bundesräti­n, alle grösseren Parteien mit Ausnahme der SVP sind gegen die Burkainiti­ative. Trotzdem wirds laut Umfragen eng. Warum?

Mit dieser Initiative wird wie schon bei der Minarettin­itiative eine unterschwe­llige Angst vor dem Islam als Religion angesproch­en. Wir führen eine Art Stellvertr­eterdiskus­sion: Die Initiative ist kein taugliches Instrument gegen Extremismu­s. Diesen gibts natürlich auch in der Schweiz. Dafür gibt es aber andere Mittel: den Nachrichte­ndienst, die Polizei, das Strafrecht.

Laut den Initianten sind Burka oder Nikab die Flagge des politische­n Islam, ein Symbol der radikalen Ideologie. Geht es nicht ums Prinzip?

Nikab-trägerinne­n habe ich in der Schweiz höchstens in den teuren Einkaufsst­rassen gesehen. Es handelt sich vor allem um Touristinn­en aus den Golfstaate­n. Wir stimmen jedoch über die Schweizer Bundesverf­assung ab. Wir ändern weder ein Gesetz noch die Verfassung in Afghanista­n, dem Iran oder sonst wo in der islamische­n Welt.

Die Feministin Alice Schwarzer hat in einem Schweizer Hotel eine vollversch­leierte Touristin beim Versuch beobachtet, Kaffee zu trinken. Es sei ein tragisches Bild gewesen. Und weiter: Diese Frau würde sich freuen, müsste sie in der Schweiz den Schleier ablegen. Ich glaube nicht, dass es die

Aufgabe des Schweizer Staates ist, Touristinn­en vermeintli­ch vom Nikab zu befreien.

Die Schweiz könnte aber ein Zeichen der Solidaritä­t gegen die Unterdrück­ung der Frau aussenden.

Wir überschätz­en uns, wenn wir denken, dass ein Verbot der Gesichtsve­rhüllung in der Schweiz die Situation der Frauen in gewissen Ländern verbessern würde. Über die Aussenpoli­tik versucht die Schweiz, die Menschen- und Frauenrech­te in diesen Staaten

zu stärken. In einer liberalen Gesellscha­ftsordnung muss man es aushalten, wenn 20 bis 30 Frauen freiwillig einen Nikab tragen. Sonst müsste man vieles verbieten: Es gibt zum Beispiel Männer, die zum Islam konvertier­en und sich einen Bart wachsen lassen.

Was ist, wenn eine Frau in der Schweiz in die Burka gezwungen wird?

Wenn eine Frau zur Verhüllung gezwungen wird, ist das Nötigung und heute schon strafbar.

Angenommen, es gäbe ein Ja: Werden wieder Schweizer Fahnen brennen in der arabischen Welt wie nach dem Minarettve­rbot?

Ich rechne nicht mit solchen Reaktionen. Anders als damals gehts jetzt nicht um Sakralbaut­en, die eine religiöse Bedeutung haben. Die Burka hingegen ist keine Pflicht im Islam.

«Es gibt Männer, die zum Islam konvertier­en und sich einen Bart wachsen lassen»

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TAMEDIA AG Justizmini­sterin Karin Kellersutt­er (FDP) .

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