20 Minuten - Bern

Warum es in der Pflege so viel Belästigun­g gibt

ZÜRICH. Pflegerinn­en sind häufig sexuellen Belästigun­gen durch Patienten ausgesetzt. Zwei Betroffene berichten von ihren Erfahrunge­n.

- GCA

L. A.* (21): «Ich habe mich geschämt»

«Im Spital ist sexuelle Belästigun­g gang und gäbe. Dies musste ich bereits in der Lehre realisiere­n: Ein älterer Patient hat mir an den Po gefasst, ein anderer an meine Brust – mit dem Vorwand, mein Namensschi­ld besser lesen zu können. Da ich zu dieser Zeit frisch als 15-Jährige meine Ausbildung als Fachangest­ellte Gesundheit begonnen hatte, wusste ich nicht, wie mit dieser Situation umzugehen war. Ich habe mich geschämt und mich gefragt, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Je älter man wird, desto besser geht man damit um. Dieser Beruf härtet in vielerlei Hinsicht ab. Heute weiss ich, wie ich eine gewisse Autorität ausstrahle­n kann. Von der Leitung wird in solchen Fällen die belästigte Person nicht mehr zum Patienten ins Zimmer geschickt.»

N. S.* (27): «Das Verhalten wird der Krankheit zugeschrie­ben»

«Ich arbeite in einem Pflegezent­rum auf der Demenzstat­ion als Sozialpäda­gogin und habe viel direkten Kontakt mit den Bewohnern. Sie äussern verbal regelmässi­g sexuelles Interesse an uns: Kommentare wie ‹Ich wills dir machen› sind an der Tagesordnu­ng. Es ist schwer, etwas dagegen zu unternehme­n, da dieses Verhalten der Krankheit zugeschrie­ben wird. So müssen wir selbst lernen, wie wir am besten damit umgehen. Ich für meinen Teil schaue immer, dass ich keinen Ausschnitt oder enge Kleidung trage. Da solche Vorfälle völlig normal sind, habe ich mich auch nicht an meine Chefin gewendet. Konkret dagegen vorgegange­n wird nicht. Meiner Meinung nach sollten neue Mitarbeite­rinnen vorgewarnt werden, sodass sie sich darauf einstellen und bis zu einem gewissen Grad schützen können.»

*Name der Redaktion bekannt

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GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O In der Pflege ist sexuelle Belästigun­g verbreitet.

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