«Ist HIV eine Erfindung der Industrie?»
Lara* ruft bei uns an, sie klingt verzweifelt. Es gehe um ihren Bruder, sagt sie. Er sei schon seit einigen Jahren Hivpositiv, aber in letzter Zeit sei er gegenüber den Medikamenten zunehmend kritisch geworden. Kürzlich habe er ihr erzählt, dass er die Medikamente abgesetzt habe. Er habe viel im Internet recherchiert und herausgefunden, dass HIV eigentlich eine «Erfindung der Pharmaindustrie» sei. Die Hivmedikamente würden seinen Körper vergiften. Ich halte solche Verschwörungstheorien für sehr gefährlich. Wenn Laras Bruder seine Medikamente längere Zeit nicht nimmt, wird er über kurz oder lang an Aids erkranken, was ohne Behandlung tödlich enden wird. Ohne Medikamente steigt zudem die Viruskonzentration in seinem Blut wieder an, sodass Laras Bruder andere anstecken kann. Sollte er sich am Ende dann doch dafür entscheiden, die Behandlung weiterzuführen, könnte das Virus zwischenzeitlich Resistenzen entwickelt haben – die Medikamente könnten also nicht mehr wirken. Ich rate Lara daher dringend, mit Einfühlungsvermögen und mit Fakten auf ihren Bruder einzuwirken. Vielleicht ist ein Arztwechsel die Lösung, vielleicht stecken auch psychische Probleme oder Nebenwirkungen der Medikamente hinter dem Therapieabbruch. Wichtig ist, dass Lara ihrem Bruder zwar klar signalisiert, dass sie mit dem Therapieabbruch nicht einverstanden ist, aber trotzdem weiterhin zu ihm hält.
*Name geändert