Hat der Bundesrat zu brutal kommuniziert?
BERN. Laut dem Bundesrat ist klar, dass Ungeimpfte nicht mehr geschützt werden. Nun wird diese Aussage scharf kritisiert.
KONTROVERS Die Schweiz steht in der Pandemie an einem Scheideweg. «Nicht Geimpfte können sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie einen Schutz seitens Bund beanspruchen können», so Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch. Bag-krisenmanager Patrick Mathys doppelt nach: «Wir nehmen in Kauf, dass es zusätzliche Hospitalisierungen gibt.» Man müsse mit Todesfällen rechnen.
Die Krisenmanagerin Beatrice Tschanz übt Kritik am Auftritt: «Es schockierte mich etwas, als ich diese Worte hörte», sagt sie. Sie habe die Rhetorik als unsensibel, hilflos und schwarzmalerisch wahrgenommen. «Dabei kann man in der Krisenkommunikation nicht sensibel genug sein.» Für Tschanz steht fest, dass Druck Gegendruck erzeugt. «Die
Eskalation zwischen Geimpften und nicht Geimpften sollte nicht angeheizt, sondern entschärft werden.» Die Regierung müsse aufpassen, dass es nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft komme.
Auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschäftigten die Worte. «Alain Berset kommunizierte sehr offen und ehrlich», sagt Sp-nationalrätin Yvonne Feri. Härter ins Gericht geht Svp-nationalrat Thomas Aeschi. «Die Kommunikation war schlecht vorbereitet», sagt er. Der Bundesrat habe unnötig dramatisiert.
Lob erntet der Bundesrat von einem ethischen Standpunkt aus. «Ich nehme die Worte als ehrlich wahr», sagt Nikola Biller-adorno, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich. «Wie sich die Situation weiterentwickelt, wissen wir alle nicht, und daher ist es wichtig, nicht naiv und unbedacht zuzuwarten, bis sich die Situation im Herbst möglicherweise wieder verschärft.»