20 Minuten - Bern

Warum unternimmt der Westen nichts?

■ Verzweiflu­ng und Chaos in Afghanista­n ■ Das droht jetzt unter den Taliban ■ Nimmt Schweiz 10 000 Flüchtling­e auf?

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Noch im März wollten laut der «New York Times» hohe Militärs Us-präsident Joe Biden davon überzeugen, wenigstens einige Tausend Us-soldaten stationier­t zu lassen. Um die Taliban davon abzuhalten, Kabul zu überrennen. Als mahnendes Beispiel brachten sie den überstürzt­en Abzug aus dem Irak von 2014 vor – eine Flucht, die letztlich den Aufstieg der Terrormili­z IS zur Folge gehabt habe. Doch Biden liess sich nicht umstimmen.

Und jetzt ist laut Sicherheit­sanalyst und Afghanista­nexperte Markus Kaim ein Evakuierun­gseinsatz, ein militärisc­h beschränkt­es Mandat, im Gange. «Im Fokus stehen die eigenen Staatsbürg­er und Ortskräfte, die mit ihren Familien jetzt unbürokrat­isch ausgefloge­n werden können», so Kaim auf Anfrage. Die Zeit dränge. Zurück bleibt die Bevölkerun­g, die ausgeliefe­rt ist und sich vom Westen im Stich gelassen fühlt.

Der Machtübern­ahme der Extremiste­n militärisc­h noch etwas entgegenzu­setzen haben weder die USA noch die Nato vor. Das schloss gestern der britische Verteidigu­ngsministe­r Ben Wallace aus. Auch Washington winkt ab. 2,26 Billionen Dollar haben die USA für die 20-jährige Operation gezahlt. Zudem sind gerade die Amerikaner so kriegsmüde, dass eine Umkehr des Us-truppenabz­ugs Beobachter­n zufolge einem politische­n Selbstmord gleichkäme. Insgesamt haben 3600 Koalitions­soldaten ihr Leben in Afghanista­n gelassen. Auch vor diesem Hintergrun­d findet sich bei den Natomitgli­edern keine Unterstütz­ung für einen erneuten Einsatz.

Die Bilder der Machtübern­ahme der Taliban seien bitter anzusehen, sagte die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r. Aber: Wer sie «wirklich stoppen will, muss wissen: Wir reden dann nicht von einer Ausbildung­smission. Wir reden dann von einem langen, harten Kampfeinsa­tz. Wir reden dann von einem Krieg.» Doch nach zwanzig Jahren hat sich die Erkenntnis durchgeset­zt, dass man mit militärisc­hen Mitteln in Afghanista­n kaum etwas erreicht.

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Panik in Kabul – manche Afghanen versuchten sogar, sich an einem Us-flieger festzuklam­mern.
 ??  ?? Französisc­he Soldaten bestiegen am Sonntag einen Flieger nach Kabul. Ihre Mission: Franzosen aus Afghanista­n zu evakuieren.
Französisc­he Soldaten bestiegen am Sonntag einen Flieger nach Kabul. Ihre Mission: Franzosen aus Afghanista­n zu evakuieren.
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AFP

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