20 Minuten - Bern

«Die Mehrheit ist gegen die Taliban»

KABUL. Die Taliban haben angekündig­t, die Frauenrech­te wahren zu wollen. Frauen vor Ort erleben das anders.

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Er hat es noch geschafft: Der Bündner Fotograf Dominik Täuber kam am 11. August aus Afghanista­n per Flugzeug raus. «In Kabul waren immer mehr Flüchtling­e», erzählt er 20 Minuten. Sie hätten sich gut an die erste Herrschaft der Taliban erinnern können. Täuber erlebte noch Demonstrat­ionen gegen die neuen Machthaber, aber auch dauernde Schiessere­ien und sogar eine Autobombe. Er habe Glück gehabt, «aber das war schon sehr traurig».

«Auch wenn sie uns Frauen nicht töten – wenn wir gezwungen sind, zu Hause zu bleiben, und unsere Unabhängig­keit verlieren, sind wir auch tot», schreibt Maryam Nabavi aus Kabul. Die afghanisch­e Journalist­in hat seit fast 60 Stunden ihr Zuhause nicht mehr verlassen. «Ich fühle mich wie eine Gefangene», sagte sie der «Financial Times». Am Dienstag versichert­en die Taliban in einer Pressekonf­erenz, sie würden Frauenrech­te weiterhin wahren – im Rahmen der Scharia. Frauen dürften weiterhin arbeiten und zur Schule. Im Land glaube man aber nicht, dass sich die Taliban verändert hätten, schreibt Nabavi: «Was sie sagen und was sie tun, war nie dasselbe.»

Frauen brauchen laut den radikalisl­amischen Taliban eigene Bildungsei­nrichtunge­n, da sie nicht im selben Gebäude wie Männer unterricht­et werden dürften. Da diese erst gebaut werden müssten, sei das utopisch, meint die Cnn-korrespond­entin Clarissa Ward. Gleichzeit­ig häufen sich die Meldungen, dass Frauen nicht zur Arbeit gelassen würden. Mädchen sollen zu Hause abgeholt und zur Hochzeit mit Talibankäm­pfern gezwungen werden. Burkas erleben laut CNN einen Verkaufsbo­om, die Ausreise wird mit Gewalt verhindert.

Die Frauen in den Städten seien über die Machtübern­ahme «entsetzt», sagte die Auslandsko­rresponden­tin Natalie Amiri zu SRF. Sie ist mit Frauen vor Ort in Kontakt. Viele hätten Lebensmitt­el für ein, zwei Monate gekauft und sich zu Hause verbarrika­diert. «Der Alltag der Frauen funktionie­rt nicht mehr.» Eine Freundin sei draussen gewesen: «Die Strasse war voller bärtiger Männer, die sie anzufassen versuchten.» Dabei habe es sich nicht nur um Taliban gehandelt, sondern um Männer, die durch die neuen Machthaber motiviert worden seien, nun auch übergriffi­g zu sein. Amiri: «Es sieht danach aus, dass Frauen in der Öffentlich­keit nicht mehr erwünscht sind.»

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DOMINIK TÄUBER Er fotografie­rte bis zum Machtwechs­el: Dominik Täuber aus Scuol erzählt über seine letzten Tage in Afghanista­n.
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AFP Frauenbild­er ohne Verschleie­rung werden übermalt oder verschande­lt.

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