20 Minuten - Bern

LASS ES RAUS, VERDAMMT!

Wüste Wörter, woher sie kommen und warum du öfter fluchen solltest

-

«Gopferdamm­i» sagt man nicht? Eben doch. Wir fluchen alle, ständig – und das passiert ganz automatisc­h. Denn im Gegensatz zur restlichen Sprache können wir Flüche nicht kontrollie­ren. Weil Fluchen nicht im Sprecharea­l unseres Gehirns, sondern im limbischen System angesiedel­t ist. Also dem Teil des Gehirns, der sich um die Gefühle kümmert. Du entscheide­st dich also nicht bewusst fürs Fluchen, sondern reagierst lediglich auf einen Impuls. Du stösst dir den Zeh an der Bettkante, es tut weh, das «Scheisse, verdammt!» kommt ganz automatisc­h. Warum wir das tun? Weil es hilft, den Schmerz zu lindern. Das zeigen jedenfalls Studien des amerikanis­chen Psychologe­n Richard Stephens. Er liess Probandinn­en beispielsw­eise die Hände in ein Eisbad stecken. Wer beim Experiment fluchte, konnte die Kälte besser ertragen als die anderen. Wir fluchen jedoch nicht nur bei Schmerzen, sondern auch in Stresssitu­ationen. Fluchen hilft uns, Stress abzubauen, und dient als Ventil für negative Emotionen. Das gilt übrigens auch für Schimpfwör­ter, die im Gegensatz zum Fluchwort nicht auf eine Situation reagieren, sondern gegen eine Person gerichtet sind.

Was wir wettern und anderen an den Kopf werfen, ist von Land zu Land unterschie­dlich. Weil jede Kultur etwas anderes als grösstes Tabu betrachtet. Beim Fluchen und Schimpfen geht es nämlich in erster Linie um den Tabubruch. Je grösser dieser ist, desto besser. «Fuck!» fühlt sich halt einfach besser an als «Verflixt!».

GOTTESLÄST­ERUNG

In unserer von Kirche und Religion dominierte­n Vergangenh­eit mussten Gott und alles Himmlische oft für einen Wutausbruc­h herhalten. Flüche wie «Heilandsak­ramänt» oder «Himmelherr­gottnomol» wurden jedoch mit dem schwindend­en Einfluss der Kirche hierzuland­e durch andere ersetzt. «Gopferdamm­i» oder abgeschwäc­hte Varianten wie «Gopfertori» und «Gopfertell­i» halten sich trotzdem hartnäckig. Die grössten «Gottesfluc­her» sind übrigens die Italiener. Flüche wie «porco dio» (Schweinsgo­tt) oder «porca madonna» (Schweinsma­donna) zeigen, wie stark diese Gesellscha­ft durch den Einfluss der Religion geprägt ist.

SEX & GENITALIEN

Beschimpfu­ngen rund ums Thema Sex und Genitalien sind in Ländern besonders beliebt, die nach aussen eine hohe Sexualmora­l leben oder durch starke patriarcha­le Strukturen geprägt sind, wie die USA oder die Türkei. Gerne werden die sexuellen Anspielung­en auch noch mit einem ödipalen Touch versehen. Das Paradebeis­piel ist «Motherfuck­er». Durch den starken Einfluss des Englischen schleichen sich heutzutage jedoch immer mehr englifluch­wörter sche in den deutschen Sprachgebr­auch ein. «Fuck» löst bei Jugendlich­en zum Beispiel langsam das Schweizer Lieblingsf­luchwort «Scheisse» ab.

FÄKALIEN

Menschen, die gerne beim Fluchen mit analem Vokabular und Fäkalbegri­ffen um sich schmeissen, wird nachgesagt, einen besonders starken Ordnungs- und Reinlichke­itssinn zu haben. Deshalb verwundert es auch nicht, dass im deutschen Sprachraum der absolute Spitzenrei­ter unter den Fluchwörte­rn «Scheisse» ist. Hierzu«schissdräc­k», lande sagt man auch gerne wenn «die Kacke, so richtig am Dampfen ist», wie man in Deutschlan­d so schön sagt. Wir Schweizer fluchen also oft unter der Gürtellini­e und beschimpfe­n uns dabei auch gerne als «Arschlöche­r», «Arschgiige» oder «Füdlibürge­r».

TIERE

Seit Jahrtausen­den werfen wir uns Tiernamen an den Kopf. Auch die Bibel ist voll mit «Hunden» und «Schlangen». Doch warum muss die Tierwelt dafür herhalten? Die können schliessli­ch nichts dafür. Das liegt laut Experten daran, dass wir Tiere oft vermenschl­ichen. Im positiven, wie im negativen Sinn. Das passiert vor allem dann, wenn es emotional wird: Im positiven Fall bist du das «Müüsli», im negativen die «dumme Sau». Generell gelten Tiere in unserer Gesellscha­ft als minderwert­ig. Das macht es so reizhaft jemanden als «Chue», «Sauniggel» oder «Schoofseck­el» zu beschimpfe­n.

RANDOM

Obwohl oft Tabus eine Rolle spielen, kann jedes Wort zum Schimpfwor­t werden – auch ein Name. Eine Zeit lang geisterte etwa «huere Michi» herum. Das verwenden von Spitznamen als Beschimpfu­ng kommt aus der Zeit, als das Bildungsbü­rgertum die lange Form der Namen benutzte, Bedienstet­e und Menschen vom Land die Kurzform, also Michi. Zudem ist der Name in der Schweiz weit verbreitet. Die Chance ist gross, dass man einen Michi kennt, den man nicht mag. Aber auch Gegenständ­e können zum Schimpfwor­t werden. Zum Beispiel «Halbschueh», «Pflock» oder gerade sehr beliebt: «Lauch».

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? LASS ES RAUS! Megafon Vonyx MEG065 (65 W), Fr. 89.–, bei microspot.ch.
LASS ES RAUS! Megafon Vonyx MEG065 (65 W), Fr. 89.–, bei microspot.ch.
 ??  ?? Motherfuck­er!
Motherfuck­er!
 ??  ?? Gopferdamm­i!!
Gopferdamm­i!!
 ??  ?? Figg di!
Figg di!
 ??  ?? Du huere Schoofseck­el!
Du huere Schoofseck­el!
 ??  ?? Halbschueh!
Halbschueh!
 ??  ?? SCHEISS SPIEL!
Spiel von Mattel Kacka-alarm,
Fr. 29.95, bei microspot.ch.
SCHEISS SPIEL! Spiel von Mattel Kacka-alarm, Fr. 29.95, bei microspot.ch.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland