«Die Verletzung des Kollegialitätsprinzips gehört zum Spiel»
Herr Kübler, nach Bundesrat Ueli Maurers Aktion gibt es Rücktrittsforderungen auf Social Media. Hat das Chancen?
Genauso gibt es diejenigen, die ihn für die Fotos feiern. Ich denke nicht, dass Maurer wegen dieser Aktion zurücktreten wird. Dem Finanzminister wird zudem vorgeworfen, er habe das Kollegialitätsprinzip des Bundesrats verletzt.
Das kann man so sehen. Aber das
Spiel mit gezielten Verletzungen des Kollegialitätsprinzips gehört schon lange zur Schweizer Politik. Das haben andere Bundesräte auch manchmal gemacht – etwa Otto Stich, Pascal Couchepin oder Christoph Blocher.
Sie denken also, es war eine kalkulierte Aktion?
Ich sehe das als Teil einer generellen Strategie der SVP. Das begann mit dem Beschluss der Neinparole zum Covid-19-gesetz im
August. Seither hat sich das fortgesetzt, zum Beispiel, als sehr schnell öffentlich wurde, wie die Svp-bundesräte bei der Ausweitung des Covid-zertifikats abgestimmt hatten. Ich denke, die Partei will generell die Massnahmenkritikerinnen und -kritiker ins politische System integrieren. Die SVP will also auf Gegnerinnen und Gegner der Corona-massnahmen zugehen?
Ja, und das ist auch eine völlig legitime Strategie. Das Wichtigste in einer Demokratie ist, dass wir unterschiedliche Anliegen gemeinsam diskutieren können. Es wäre viel schlimmer, wenn sich Kritikerinnen und Kritiker der Corona-massnahmen längerfristig vom politischen Prozess ausgeschlossen fühlen würden.
Daniel Kübler ist Professor am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zürich.