Darum stimmte die Stadt Bern für die 99-Prozent-initiative
BERN. Nirgends war der Jaanteil für die 99-Prozentinitiative so hoch wie in der Stadt Bern. Politologe Mark Balsiger erklärt, warum.
In keiner Stadt war der Befürworter-anteil so hoch wie in Bern. Hat Sie das überrascht?
Nein. Vor Jahresfrist hat Rot-grün bei den Stadtratswahlen praktisch denselben Wähleranteil erzielt. Diese Leute blieben bei dieser Sachabstimmung auf Linie. Die 99-Prozent-initiative fand allerdings nur im rot-grünen Lager Unterstützung. Deshalb stimmten im Kanton Bern 59 Prozent Nein.
Wird die Stadt Bern zunehmend linker?
In der Tendenz trifft das zu, ja. Den allermeisten Stadtbernerinnen und -bernern gefällt es in der Wohlfühloase. Das zeigen die Umfragen zur Lebensqualität. Zugleich ist es ihnen offensichtlich egal, dass die Stadt zurzeit auf einem Schuldenberg sitzt.
Klingt nach düsteren Aussichten für die Bürgerlichen.
Die Stärke des rot-grünen Blocks hat auch mit der latenten Schwäche der bürgerlichen Parteien zu tun. Sie sind weit weg von den Lebensrealitäten der Bevölkerung. «Weniger Steuern, mehr Parkplätze – Reitschule zu!» klingt griffig, holt die Leute aber nicht ab. Vielmehr treiben sie Themen wie Wohnen, Kinderbetreuung und Ökologie um.
Die Initiative wurde von den Gemeinden abgeschmettert. Was bedeutet dies für das Verhältnis von Stadt und Land?
Der Stadt-land-konflikt wird im Kanton Bern seit Jahrzehnten betont – leider. Sticheleien gibt es von beiden Seiten immer wieder, zuweilen sogar Provokationen. Im Grossen Rat sollten sich ein paar starke Figuren aus Stadt und Land informell zusammentun, damit das Auseinanderdividieren weniger oft vorkommt.